News Karlsruher Cybercrime-Zentrum erfolgreich: Manche Cyber-Betrüger meiden Deutschland
Spezialisten aus Baden-Württemberg setzen Cyber-Kriminelle unter Druck. Beschlagnahmte Internetseiten, abgeschaltete Telefonnummern und Ermittlungen in Kriegszeiten sind nur ein Teil der Bilanz.
Im internationalen Kampf gegen Internet-Betrüger hat das Cybercrime-Zentrum (CCZ) Baden-Württemberg erste nachhaltige Erfolge erzielt. «Manche machen schon einen Bogen um unser Land», sagte Justizministerin Marion Gentges (CDU) der Deutschen Presse-Agentur.
Es gebe inzwischen einige Seiten mit vermeintlichen Anlageangeboten, auf denen bei der Eingabe von Registrierungsdaten aus Deutschland der Hinweis erscheine, dass eine Anmeldung aus diesem Land nicht möglich sei. «Selbst wenn wir keinen Tatverdächtigen ermittelt haben, schützt das potenzielle Geschädigte», sagte Gentges. «Das ist ein großartiger Ermittlungserfolg.»
Das bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe eingerichtete CCZ und andere Behörden haben in den vergangenen Monaten unter anderem Tausende illegale Domains vom Netz genommen und Rufnummern abgeschaltet, über die Kriminelle massenhaften Betrug organisiert hatten. Millionenfach wurde im Nachgang versucht, auf die beschlagnahmten Internetseiten zuzugreifen – dies zeigt das Ausmaß potenzieller Opfer des Cyberbetrugs.
Die Kriminellen verleiten Kundinnen und Kunden mit vermeintlich lukrativen Anlagemöglichkeiten dazu, teils hohe Geldsummen auf betrügerischen Internetplattformen zu investieren. Das Geld geht meist vollständig verloren.
«Damit haben wir ihnen das Leben schwerer gemacht»
Bei einer großangelegten «Operation Herakles» beispielsweise stellten die Ermittler festgestellt, dass die Kriminellen eine regelrechte Telefoninfrastruktur aufgebaut hatten, wie CCZ-Leiterin Tomke Beddies erklärte. Daher seien – in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt (LKA) und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – nach den beschlagnahmten Landing Pages auch Rufnummern abgeschaltet worden. «Damit haben wir ihnen das Leben schwerer gemacht und Straftaten verhindert.»
Allerdings gebe es unendlich viele solcher Seiten, räumte Beddies ein. Und es sei davon auszugehen, dass die Täter in diesem Fall mit neuen Homepages weitermachen – wobei sie nach ersten Erkenntnissen damit begonnen hätten, Deutschland auszusparen.
Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik gab es allein im vergangenen Jahr 3.170 Cybertrading-Fälle in Baden-Württemberg. Die Ermittlungen führen oft ins osteuropäische Ausland. Immer wieder werden Menschen verurteilt.
Die internationale Zusammenarbeit habe sogar in Kriegszeiten in der Ukraine funktioniert, sagte Beddies. Dort seien in einem Verfahren Gebäude durchsucht worden. Da der dortige Täter den Angaben nach zwischenzeitlich nach Kiel gezogen war, konnte die Polizei ihn festnehmen. Das Landgericht Stuttgart habe ihn zu zwei Jahren und neun Monaten wegen Betrugs verurteilt, so die CCZ-Leiterin. Ministerin Gentges sagte, die Botschaft laute: «Wir sind in der Lage, euch zu verfolgen. Wir sind in der Lage, euch zu kriegen.»
Startschuss Anfang 2024
Das auf Cybercrime spezialisierte Zentrum, das zum Beispiel auch Fälle etwa von Kinderpornografie und Angriffen mit Schadsoftware (Ransomware) behandelt, hat seine Arbeit vor zwei Jahren aufgenommen. Allein in diesem Jahr gingen einem Sprecher zufolge bis Ende November 5.674 Verfahren ein, darunter 4.985 gegen Beschuldigte und 689 gegen unbekannte Täter.
«Cybercrime ist das am dynamischsten wachsende Kriminalitätsfeld», sagte Gentges. Wie auch andere Bereiche des Lebens verlagere sich die Kriminalität ins Digitale. Damit einher gehe internationale Vernetzung. Das mache es schwieriger, Täter aufzuspüren, und erfordere mehr Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden über Ländergrenzen hinweg. «Nicht nur Cybercrime kennt keine Grenzen, sondern auch der Einsatz dagegen nicht.»
Das CCZ trage inzwischen maßgeblich dazu bei, solche Delikte zentral und konzentriert zu verfolgen. «Wozu auch immer Menschen imstande sind, wir halten mit», sagte die Justizministerin. «Wir hoffen, dass das Hellfeld größer wird und das Dunkelfeld kleiner.»
Zuständig ist das CCZ, wenn Täter oder Opfer einen Bezug zu Baden-Württemberg haben. Eine sachliche Zuständigkeit kann vorliegen, wenn bei den Taten moderne Technik eingesetzt wurde oder etwa das Darknet eine Rolle spielt. Die IT-Expertise sei in diesen Verfahren besonders wichtig, sagte Beddies. Gleiches gelte für die Zusammenarbeit mit anderen Behörden: «Mit dem LKA und den Polizeipräsidien arbeiten wir eng und vertrauensvoll zusammen.»
Auch wenn sich besondere Phänomene entwickeln, die in Deutschland noch nicht so bekannt seien, führe das CCZ die Ermittlungen, sagte Beddies. Zudem hätten sich die Polizeidienststellen der Länder geeinigt, Ermittlungen zu größeren Ransomware-Gruppierungen zentral zu bündeln. In Karlsruhe würden mehrere dieser zentralen Ermittlungen geführt.