News Polizei erschießt so viele Menschen wie seit Jahren nicht
Die Polizei setzt ihre Dienstwaffe laut Innenministerium nur als letztes Mittel ein. Trotzdem hat die Polizei 2025 so viele Menschen erschossen wie seit Jahren nicht. Was steckt hinter dem Anstieg?
Die Polizei in Baden-Württemberg hat im laufenden Jahr so viele Menschen erschossen wie seit vielen Jahren nicht mehr. Nach Angaben des Innenministeriums kam es bis zum 8. Dezember 2025 zu 15 Einsätzen, bei denen eine Dienstwaffe unmittelbar gegen Personen eingesetzt wurde. Dabei kamen acht Menschen ums Leben, sieben davon direkt infolge der Schussverletzungen. Drei Personen wurden bei den Einsätzen verletzt. Zum Vergleich: Zwischen 2016 und 2024 wurden jährlich lediglich zwischen null und drei Menschen durch Polizeischüsse getötet.
Einsatz als Ultima Ratio
Trotz des Anstiegs betont das Innenministerium, dass der Einsatz der Schusswaffe als Ultima Ratio erfolge, also nur als allerletzter Ausweg. Zudem würden die gesetzlichen Vorgaben strikt eingehalten. «Die Gesamtzahl der Schusswaffengebräuche gegen Personen befindet sich seit vielen Jahren auf einem sehr niedrigen Niveau», heißt es aus dem Haus von Innenminister Thomas Strobl (CDU).
Vergleich zu den Vorjahren zeigt deutlichen Anstieg
Zwischen 2016 und 2024 wurden jährlich zwischen null und drei Menschen durch Polizeischüsse getötet. Die Zahl der Schusswaffengebräuche schwankte im selben Zeitraum zwischen zwei und 13 Fällen. Damit markiert 2025 in dieser Zeitspanne einen Höchstwert sowohl beim Schusswaffengebrauch als auch bei den tödlichen Einsätzen.
Mitte April etwa erschossen die Beamten einen Mann in Hilzingen im Kreis Konstanz, der mit einer Axt auf sie losgegangen war. Wenige Tage zuvor erschoss ein Polizist in Schramberg im Kreis Rottweil einen 48-Jährigen, der eine Schusswaffe auf die Polizei richtete und sie auf mehrfache Anordnung nicht weglegen wollte.
Im Juni erschoss die Polizei in Wangen im Landkreis Göppingen einen 27 Jahre alten Mann. Er hatte die Beamten nach Auskunft des Landeskriminalamtes mit einem Messer angegriffen. Im Februar töteten Polizisten in Eichstetten am Kaiserstuhl einen Mann, der seine Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind geschlagen und mit einer Schrotflinte bedroht hatte.
Neue Einsatzrealität auf der Straße
Für die Polizeigewerkschaften im Land ist der Höchststand kein statistischer Ausreißer – sondern Ausdruck einer veränderten Einsatzrealität für die Polizei. «Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte werden zunehmend mit hochdynamischen, lebensbedrohlichen Lagen konfrontiert», kritisiert Thomas Mohr von der Gewerkschaft der Polizei. Die wachsende Gewaltbereitschaft und Unberechenbarkeit von Lagen sei seit Jahren spürbar.
Dabei habe sich die Schwelle für den Gebrauch der Schusswaffe nicht verändert, so Mohr. Diese sei weiterhin hoch. Die Schusswaffeneinsätze seien nach derzeitigem Kenntnisstand rechtmäßig gewesen. «Die Kolleginnen und Kollegen handeln nicht leichter oder schneller als früher», sagt der Gewerkschafter. «Sie werden jedoch häufiger in Situationen gebracht, in denen binnen Sekunden über Leben und Tod entschieden werden muss.»
Kritik an Taser-Test
«Leider haben wir es immer mehr mit Menschen zu tun, die unter psychischen Vorerkrankungen leiden, in psychischen Ausnahmesituationen handeln, oder auch unter Drogen und Alkoholeinfluss stehen», sagt der neue Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Dirk Preis. Sowohl in der Ausrüstung als auch in der Ausbildung siegt die DPolG «deutlich Luft nach oben» im Südwesten. Die Gewerkschaft fordert seit Jahren die Einführung des sogenannten Tasers für den Streifendienst. Die nun beginnende Erprobungsphase sei hingegen ein Witz, kritisiert Preis.
Bisher gehörte der Taser nur bei Spezialeinheiten der Polizei zur Ausrüstung – nun sollen auch Streifenpolizisten in Baden-Württemberg die Alternative zur Schusswaffe bekommen, zumindest testweise in einigen Regionen. Ausprobieren sollen die Elektroimpulsgeräte laut Innenministerium ab Januar Beamtinnen und Beamte in Südbaden. Zudem wird eine Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit des Polizeipräsidiums Einsatz in Göppingen mit Tasern ausgestattet. Mit einem Taser wird ein Gegner mehrere Sekunden lang wegen einer Lähmung im Nervensystem handlungsunfähig gemacht.
Tiere häufiger im Visier
Deutlich häufiger als gegen Menschen setzten die Beamten im Südwesten ihre Dienstwaffen ein, um gefährliche, kranke oder verletzte Tiere zu töten. Allein im vergangenen Jahr schossen sie rund 1.500 Mal auf Tiere.