Nachrichten Polizei in Baden-Württemberg wird jünger und weiblicher
In Baden-Württemberg steigt die Zahl der jungen Polizistinnen und Polizisten. Was auf den ersten Blick eine erfreuliche Entwicklung ist, birgt auch Risiken.
Fast die Hälfte der Neuzugänge bei der Polizei im Südwesten sind nach Auskunft des Innenministeriums Frauen. Darüber hinaus hätten knapp ein Drittel der im Jahr 2023 neu eingestellten Mitarbeitenden einen Migrationshintergrund.
Insgesamt sei fast jeder dritte Polizeibeamte bei der Polizei Baden-Württemberg eine Frau, im Jahr 2016 war nur jeder fünfte Polizeibeamte eine Frau. «Vor rund 30 Jahren gab es so gut wie gar keine Frau in Uniform bei der Polizei Baden-Württemberg. Das Durchschnittsalter der fertig ausgebildeten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten lag im Jahr 2016 bei etwas mehr als 44 Jahren. Mittlerweile ist die Polizei deutlich jünger und das Durchschnittsalter liegt bei unter 40 Jahren», sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU).
Bei der Landespolizei Baden-Württemberg sind etwa 34.200 Personen beschäftigt. Neben den insgesamt rund 28.500 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten – davon rund 3.100 Anwärterinnen und Anwärter – sind rund 5.700 weitere Personen im Bereich des Nichtvollzugsdienstes tätig.
Gewerkschaft spricht von mangelnder Erfahrung
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) macht darauf aufmerksam, dass die Polizei ein Erfahrungsberuf sei. «Wenn die Polizei jünger wird, ist das sicherlich mit Blick auf die körperliche Leistungsfähigkeit vorteilhaft. Allerdings fehlt immer mehr Erfahrung», sagt der DPolG-Landesvorsitzende Ralf Kusterer. In einigen Bereichen werde dies zu einem richtigen Problem. «Vor allem dann, wenn sehr viel jüngere Kolleginnen und Kollegen und damit meine ich in erster Linie Berufsanfänger und solche, die weniger als 4 bis 5 Jahre die Ausbildung beendet haben.»
Teilweise setze sich eine Streife aus einem totalen Berufsanfänger und einem Kollegen zusammen, der erst wenige Monate oder nicht einmal seit einem Jahr die Ausbildung beendet habe. Hier könnten fehlende Orts- und Personenkenntnisse schnell zu einer Gefahr werden. «Das gilt auch vor dem Hintergrund der steigenden Respektlosigkeit und steigenden Gewalt gegen Polizeibeamte.» Eine Einarbeitung, wie es diese früher gab, finde nicht mehr statt.
Ein Sprecher des Innenministeriums wies diese Kritik entschieden zurück. Bei der Landespolizei Baden-Württemberg liege das Durchschnittsalter bei knapp 40 Jahren. «Erfahrung ist also reichlich vorhanden.» Zudem würden Ausbildung und Studium fortlaufend an die aktuellen Herausforderungen angepasst. Die Mischung aus «erfahren und frisch» sei das Erfolgsrezept für eine moderne Polizei.
Mögliches Qualitätsproblem bei der Polizei
Die Bekämpfung der Kriminalität erfordere strategisches und taktisches Geschick, sagt Kusterer. «Wir müssen aufpassen, dass wir unsere jungen und absolut top motivierten Kolleginnen und Kollegen nicht überfordern.» Die Erhöhung des Frauenanteils stelle die Polizei vor große Herausforderungen. «Man müsste bei der Einstellung daran denken, dass diese hoffentlich Kinder bekommen und sich im Einklang mit Familie und Beruf einbringen können.» Das Ansehen der Polizistinnen dürfe nicht dadurch belastet werden, weil diese aufgrund Elternzeit oder Teilzeit nicht immer zur Verfügung stünden.
Die steigenden körperlichen Herausforderungen seien oft schwierig. Zusätzliche Aus- und Fortbildung bei Zugriffstechniken und das Vermitteln von Ausgleichsmöglichkeiten bei körperlich überlegenen Tätern sei deswegen notwendig. «Wir haben nicht den Eindruck, dass das Innenministerium die Herausforderungen einer jünger und weiblich werdenden Polizei erkannt hat und beachtet.» Das werde an verfehlten Ausbildungsmodulen mit viel zu wenigen Übungsmöglichkeiten deutlich.
Das Ministerium betonte hingegen: Die Polizei lege als moderner Arbeitgeber bereits seit Jahren großen Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine familienbewusste Personalpolitik. Dem stelle man sich – seit 2016 auch zertifiziert mit dem Audit «berufundfamilie».
Innenminister froh über viele Neueinstellungen
Die grün-schwarze Landesregierung hat laut dem Innenministerium in der vergangenen Legislaturperiode die größte Einstellungsoffensive in der Geschichte der baden-württembergischen Landespolizei gestartet. «Seit 2016 ist es gelungen, mehr als 12.000 junge Menschen für die Polizei-Ausbildung zu gewinnen. Waren es im Jahr 2014 und 2015 lediglich 681 beziehungsweise 801 Einstellungen, so hat die Polizei in der Spitze, im Jahr 2019, 1.787 angehende Polizistinnen und Polizisten eingestellt und damit die Zahl mehr als verdoppelt.»
«Ich freue mich, dass wir bei den aktuellen Haushaltsberatungen erneut eine vierstellige Anzahl an Neueinstellungen durchsetzen konnten», sagt Innenminister Strobl. Wenn der Landtag dem Doppel-Haushalt 2025/26 so zustimme, würden über ein ganzes Jahrzehnt so viele junge Leute bei der Polizei Baden-Württemberg eingestellt werden, wie überhaupt noch nie in ihrer Geschichte. Dies werde die Polizei weiter verändern.
SPD: Neues Führungsverständnis wird Einzug halten
Aus Sicht des SPD-Innenexperten im Landtag, Sascha Binder, stärken hochmotivierte junge Polizistinnen und Polizisten die Polizei. Ein neues Führungsverständnis werde Einzug erhalten. Wie notwendig das sei, hätten die Vorwürfe um den ehemaligen Inspekteur der Polizei und undurchsichtige Beförderungen an der Spitze gezeigt. Wer Familie und Beruf zusammenbringen will, müsse auf die höher werdende Teilzeitquote reagieren, so Binder.