Produktionen ins Inland verlagern
Auswirkungen der Corona-Krise – Umfrage der Hochschule gibt Hinweise

Produktionen ins Inland verlagern Auswirkungen der Corona-Krise – Umfrage der Hochschule gibt Hinweise

Quelle: Tobias Schwerdt

Die Coronavirus-Pandemie hat Auswirkungen auf die globale Wirtschaft, die so nicht vorherzusehen waren. Welche Folgen wird das später haben? Ist eine Rückverlagerung der Produktion zu erwarten? Eine Online-Umfrage der Hochschule Karlsruhe gibt Hinweise.

Unsicherheit hinsichtlich der Auswirkungen des Lockdown

Die Hochschule Karlsruhe hat im September und Oktober 2019 eine Online-Umfrage bei 655 produzierenden Unternehmen aus 16 führenden Industrienationen durchgeführt. Diese lässt eine Einschätzung zu hinsichtlich der Auswirkung der Lieferkettenprobleme auf lokale und globale Produktionsstrategien. Die 16 Nationen waren neben Deutschland Brasilien, China, Frankreich, Indien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Polen, Russland, Schweden, Spanien, Südkorea, USA und das Vereinte Königreich.

Aktuell ist vieles unklar, allen voran die Auswirkungen der aktuellen Beschränkungen auf die Wirtschaft. Führende Ökonomen sind sich – angesprochen auf die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes –  sehr unsicher. Die Folgen hängen natürlich von der Länge des Lockdown ab und davon, wie schnell die Wirtschaftstätigkeit wieder aufgenommen wird. Prognosen reichen von einem Minus von 2,8 Prozent für das Jahr 2020 im Basisszenario des Sachverständigenrats bis zu minus 20 Prozent im Worst-Case-Szenario des Ifo-Instituts.

 

Produktion aus dem Ausland zurückverlagern

„Auch der Einfluss der umfassenden Störungen globaler Lieferketten auf transnationale Geschäftstätigkeiten ist hochgradig ungewiss“, heißt es in einer Pressemeldung der Hochschule Karlsruhe. Doch welche Auswirkungen diese auf die Strategien hinsichtlich der lokalen und globalen Produktion haben könnten, darauf lässt die Online-Umfrage Rückschlüsse zu.

Die Antwort vom Leiter der Studie, Dr. Steffen Kinkel: „Demnach wirken sich die Störungen globaler Lieferketten insbesondere auf die Neigung der Unternehmen aus, Produktion aus dem Ausland zurück an den heimischen Standort zu verlagern.“ Kinkel ist Professor an der Fakultät für Informatik und Wirtschaftsinformatik der Hochschule Karlsruhe und Leiter des Instituts für Lernen und Innovation in Netzwerken (ILIN). Die Hälfte der befragten Unternehmen, die erwarten, dass die Störungen globaler Lieferketten auf ihre Geschäfte einen hohen Einfluss haben, gehen davon aus, dass sie künftig Teile ihrer Produktion aus dem Ausland wieder ins Inland zurückverlagern werden.

„Bei Unternehmen, die einen geringen bis mittelmäßigen Einfluss der Störungen globaler Lieferketten auf ihre Geschäftstätigkeit erwarten, sind dies nur etwa 15 Prozent“, erklärt Kinkel. Die Corona-Epidemie bringt genau solche umfassende Störungen der globalen Lieferbeziehungen mit sich. Nach den Ergebnissen der Umfrage ist deswegen in der Folge mit zunehmenden Rückverlagerungen zu rechnen.

 

Betroffen sind vor allem medizinische Produkte

Erste Anzeichen auf diese Folgen gibt es aktuell. Meldungen über mögliche Rückverlagerungen betreffen insbesondere die Herstellung medizinischer Produkte, Medikamente und ihrer Wirkstoffe. So kündigte kürzlich die US-Regierung an, die Herstellung wichtiger medizinischer Produkte wieder verstärkt zurück in die Vereinigten Staaten zu verlagern. Ziel ist es, weniger von Lieferungen aus dem Ausland abhängig zu sein.

Angesichts verwundbarer Lieferketten fordert außerdem nicht nur die deutsche Politik, die Produktion von Wirkstoffen und Medikamenten zumindest teilweise wieder zurück nach Deutschland oder Europa zu holen. Auch hier soll dadurch die Abhängigkeit von Lieferanten aus China und Indien reduziert werden. Das hat aber auch zur Folge, dass die Preise der Medikamente möglicherweise steigen.

Auch die Modellrechnungen der Hochschule Karlsruhe zeigen, dass insbesondere Sektoren der Grundversorgung – also Hersteller von Nahrungsmitteln, Bekleidung, Chemie und Pharmazie – in der Zukunft verstärkt über Rückverlagerungen nachdenken.

 

Dual-Sourcing-Strategie der Unternehmen

Auf der anderen Seite haben Störungen der globalen Lieferketten kaum Einfluss darauf, dass Unternehmen Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern. Vermehrte Auslandsverlagerungen infolge der Corona-Krise sind daher unwahrscheinlich. Anders sieht es bei der Frage nach den Strategien aus, wenn es um den Ausbau lokaler oder globaler Lieferketten geht nach solchen Störungen wie durch Corona.

„Wird ein sehr hoher Einfluss der Lieferkettenstörungen auf die Geschäftstätigkeit erwartet, dann wirkt sich dies sowohl signifikant positiv auf den weiteren Ausbau lokaler Lieferketten als auch globaler Lieferketten aus“, so Prof. Dr. Steffen Kinkel. Die Unternehmen planen dann offenbar eine sogenannte „Dual-Sourcing-Strategie“ mit sowohl inländischen als auch transnationalen Lieferantenbeziehungen. Ziel ist es wohl, sich unabhängiger zu machen.

Das Fazit der Modellrechnungen der Hochschule Karlsruhe: Nach der Corona-Krise könnten Unternehmen verstärkt Produktionsaktivitäten aus dem Ausland zurückverlagern. Zudem könnte es zum parallelen Ausbau lokaler und globaler Lieferketten kommen. Damit reagieren die Unternehmen auf die zunehmende Unsicherheit in der grenzüberschreitenden Belieferung, um ihre Produktion – nachdem die Wirtschaft wieder Fahrt aufgenommen hat – im Inland zügig wieder anfahren zu können.

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