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Baden-Württemberg setzt auf Innovationen dank Reallaboren – auch in Karlsruhe

Nachrichten Baden-Württemberg setzt auf Innovationen dank Reallaboren – auch in Karlsruhe

Quelle: Uli Deck/dpa
dpa

Sie sind das Gegenteil vom viel beschriebenen Elfenbeinturm. In Reallaboren arbeiten Forschende und andere Fachleute teils ganz nah an den Menschen. Der Südwesten nimmt dabei eine besondere Rolle ein.

Welches Lastenrad taugt für die sogenannte letzte Meile? Mit welchem Modell können Gastronomen Waren in der Stadt transportieren? Die Fragen, die sich Oliver Parodi und sein Team vom Reallabor Quartier Zukunft in Karlsruhe stellen, sind ganz konkret, nah an den Menschen dran. «Es geht um Wissenschaft in der Gesellschaft, mit der Gesellschaft und für die Gesellschaft», sagt der Initiator des Reallabors.

Reallabore sind so etwas wie der krasse Gegensatz zum Klischee-mäßigen Elfenbeinturm, aus dem Wissenschaftler nie herauskommen. Sie widmen sich zum Beispiel Themen wie Stadtentwicklung, Mobilität, Energiewende und Künstlicher Intelligenz (KI). Ganz konkret gibt es etwa das Testfeld Autonomes Fahren Baden-Württemberg, ein Projekt zu KI-gesteuerten Ampeln in Ellwangen oder ein «WaldLabOR», das zum Walderhalt am Oberrhein forscht.

Über 100 Millionen Euro an Fördermitteln

Die Landesregierung sieht in Reallaboren «ein wichtiges Instrument zur Förderung von Innovationen in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft», heißt es in der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf einen Antrag der Landtags-FDP, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Unternehmen bekämen etwa Zugang zu leistungsfähigen physischen und digitalen Entwicklungs- und Testumgebungen, könnten innovative technologische Ansätze erproben und sie in Richtung marktreifer Produkte und Geschäftsmodelle weiterentwickeln.

Andere arbeiteten an zukunftsfähigen und nachhaltigen Lösungen für die Gesellschaft. «Und schließlich tragen Reallabore durch Einbindung der Öffentlichkeit auch dazu bei, Bürgerinnen und Bürger für die Relevanz und Potenziale von Schlüsseltechnologien zu sensibilisieren, die Akzeptanz für neuartige technologische Lösungen zu fördern und damit in der Gesellschaft die Bereitschaft zur Nutzung und Anwendung innovativer Produkte, Dienstleistungen und Methoden zu steigern», heißt es in der Antwort des Ministeriums.

Parodi spricht von einer anderen Form, wie Wissen erzeugt wird. «Es geht darum, Dinge auszuprobieren. Wir gehen in die Umsetzung.» Daher sei der Ansatz auch in der Wissenschaft nicht unumstritten. Zumal die Grenze zum politischen Akteur fließend sei, gerade wenn es wie im Fall des Quartiers Zukunft um Themen wie Nachhaltigkeit gehe. «Da müssen wir schon aufpassen, uns nicht vor den Karren spannen zu lassen.»

Allein das Wissenschaftsministerium habe seit 2015 mehr als 20 Reallabore als innovatives Forschungsformat gefördert und nehme damit bundesweit eine Vorreiterrolle ein, heißt es seitens der Landesregierung. Laut einer Aufstellung haben verschiedene Ministerien die Arbeit der Reallabore seit 2019 mit zusammen mehr als 100 Millionen Euro gefördert.

 

«Wissen generieren aus einer Nahperspektive»

Das hat sich den Angaben zufolge auch schon ganz konkret gelohnt: So wurden im Reallabor Routine gezielt Probleme bei der Entwicklung KI-gestützter Gesundheitsanwendungen – etwa bei der Nutzung von Daten – untersucht. Beim Projekt Videoschutz Mannheim unterstützt intelligente Software, die mit realen Daten aus dem öffentlichen Raum trainiert wird, die Polizeiarbeit. Dank des Reallabors Future City Lab in Stuttgart sind sogenannte Parklets inzwischen genehmigungsfähig – das sind kreative Aufbauten für die Allgemeinheit etwa auf Parkplätzen. Und nach der Arbeit des Reallabors Go Karlsruhe! wurden bis dato rechtlich nicht mögliche Fahrbahnmarkierungen zur Fußgängerförderung umgesetzt.

Parodi und sein Team haben beispielsweise den Karlsruher Klimapakt initiiert, bei dem Stadt und Hochschulen an einer nachhaltigen Zukunft arbeiten. Die Forschenden im Quartier Zukunft untersuchen unter anderem, wie man Menschen in die Energiewende involvieren kann – und stoßen dabei auch schon mal auf Hürden etwa rechtlicher Art. «Man ist sehr viel dichter dran, was einen hindert, Nachhaltigkeit voranzubringen», sagt Parodi. «Wissen generieren aus einer Nahperspektive», nennt er das.

Um den gesellschaftlichen Wandel sinnvoll begleiten zu können, müssten solche Reallabore aus seiner Sicht eigentlich Dutzende Jahre arbeiten. Auch wenn Baden-Württemberg Vorreiter sei, stünden viele aber gerade erst am Anfang und seien nur kurzfristig finanziert, sagt er. «Da braucht’s in der Wissenschaft und Politik noch Mut, mehr auszuprobieren.»

FDP: Reallabore als Instrument zur Wirtschaftsförderung nutzen

Aus Sicht der Landesregierung werden Reallabore «als Katalysatoren für das Innovationsgeschehen in Baden-Württemberg zukünftig noch bedeutsamer». Der rasante technische Fortschritt bei Schlüsseltechnologien wie KI beschleunige Forschung, Entwicklung und Marktreifung. Zudem müssten Regeln und Gesetze angepasst werden. «Reallabore sind ein geeignetes Format, um diese Herausforderungen zu lösen.»

Um die nötige Flexibilität zu schaffen, kann die Politik Ausnahmen ermöglichen durch sogenannte Experimentierklauseln. Der mittelstandspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Erik Schweickert, fordert, davon noch mehr Gebrauch zu machen und diese viel stärker als Wirtschaftsförderung zu begreifen. Regionen, Branchen oder Unternehmenstypen könnten so von Bürokratie entlastet werden. «Die Aussetzung von Regulierung und die Befreiung von Bürokratie kann Unternehmen fördern und legislative Innovationen in die Anwendung bringen – vom Baurecht über Start-up-Förderung bis hin zu Genehmigungspflichten in ausgewählten Regionen», erklärte er der dpa. «Hier passiert aber viel zu wenig bei der Landesregierung.»

 

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