Finanzforderungen in der Corona-Krise
Gemeinden listen Kosten auf: Mehr als „Paketchen“ gefordert

Finanzforderungen in der Corona-Krise Gemeinden listen Kosten auf: Mehr als „Paketchen“ gefordert

Quelle: dpa/Bernd Weissbrod

Die Corona-Krise spielt den Kommunen übel mit. Der Gemeindetag will nun erfassen, wie schlecht es ihnen wirklich geht – und daraus seine Finanzforderungen an das Land ableiten.

Gewerbesteuerverluste, ausbleibende Kitagebühren, Einbußen im Nahverkehr – die Kommunen im Südwesten leiden massiv unter der Corona-Krise. Der Gemeindetag Baden-Württemberg will nun genau wissen, wie klamm die Kassen der Kommunen sind. „Wir wollen alle über 1000 Gemeinden abfragen, um einen Überblick über deren Belastungen zu bekommen“, sagte Gemeindetagspräsident Roger Kehle der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Bei gleich bleibenden Kosten seien den Kommunen erhebliche Einnahmen weggebrochen, insbesondere bei der Gewerbesteuer. Zugleich sei die Nachfrage nach kommunaler Hilfe vor Ort groß: „Bei uns stehen notleidende Volkshochschulen, Musikschulen und Vereine vor der Tür und bitten um Überlebenshilfe.“

Die schwierige Lage führt auch zu Haushaltssperren wie in der Gemeinde Wendlingen, die wegen der Pandemie 4,5 Millionen Euro weniger Gewerbesteuer in der Kasse hat als geplant. Das entspricht 40 Prozent der für 2020 geplanten Ausgaben. Hinzu kommen entfallende Kitagebühren und Abstriche beim Anteil aus der Einkommenssteuer, erläuterte Bürgermeister Steffen Weigel den in seiner neunjährigen Zeit als Rathauschef einmaligen Schritt.

Verbandschef Kehle bezeichnete die bisherigen Hilfen des Landes – zwei Tranchen von jeweils 100 Millionen Euro – als „Paketchen“. Sie könnten nur ein Abschlag sein. Auch Bürgermeister Weigel sieht weiteren Bedarf: „Das kann nicht alles gewesen sein.“ Mit den auf seine Gemeinde im Kreis Esslingen entfallenden Mitteln aus einer Tranche lasse sich etwa nur der Verlust der 90.000 Euro Kita-Gebühren in einem Monat ausgleichen.

Die Umfrage des Gemeindetages startet in den nächsten Tagen. Bis Mitte Mai erwartetet Kehle die Daten. Er sieht sie als Grundlage für Gespräche über weitere Landeshilfen mit Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne). Ein Sprecher Sitzmanns bezeichnete die Soforthilfe von rund 200 Millionen Euro als unbürokratische, schnelle Entlastung für die kommunale Seite. Gedacht ist das Geld unter anderem für den teilweisen Ausgleich entfallender Einnahmen aus Kitas, Musik- und Volkshochschulen und für die Jugend- und Behindertenarbeit. Weitere Verhandlungen würden nach der Steuerschätzung Mitte Mai folgen, sagte der Sprecher.

Kehle betonte, nicht nur Sindelfingen und Böblingen als Standorte der Automobilindustrie erlitten hohe Gewerbesteuereinbußen. Eine „unglaublich große Anzahl“ von Kommunen sei damit konfrontiert, dass Unternehmen beantragen, ihre Gewerbesteuerabgabe auf Null zu setzen. Solchen Anträgen gäben die Finanzämter üblicherweise statt. Manche Kommunen haben nach Angaben Kehles Gewerbesteuerverluste von mehr als 50 Prozent zu verkraften.

Die Unterschiede zwischen den Gemeinden seien groß: „Einigen geht es gut, anderen katastrophal.“ Deshalb dürfe weitere Unterstützung nicht nach dem Gießkannenprinzip erfolgen.

Die Haushalte der Gemeinden für 2020 seien binnen weniger Wochen Makulatur geworden. Folglich würden Kreditaufnahmen oder Haushaltssperren erwogen. Kredite dürfen aber nur in begrenztem Umfang aufgenommen werden, wie der Verbandschef erläuterte. Und Haushaltssperren seien Gift für geplante Infrastrukturprojekte in den Kommunen. Die Wendlinger Haushaltssperre bedeutet, dass alle Ämter nur noch 50 Prozent der geplanten Summen ausgeben. „Alles muss auf den Prüfstand – es sei denn, es handelt sich um tarifliche, gesetzliche oder Ausgaben für Gas, Wasser und Strom“, sagte Bürgermeister Weigel. Er will dem Gemeinderat im Juni einen Nachtragshaushalt zur Abstimmung vorlegen.

Kehle sagte mit Blick auf Fälle wie Wendlingen: „Wenn die Städte und Gemeinden als Konjunkturmotor ausfallen, reißen sie auch die lokale Wirtschaft und das Handwerk mit in den Abwärtsstrudel.“ Das führe dann zu weiteren Gewerbesteuerverlusten. „Das ist ein Teufelskreis, den wir durchbrechen müssen“, betonte Kehle. Das gelinge nur mit Konjunkturprogrammen von Land und Bund.

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