News aus Baden-Württemberg 2.000 menschliche Überreste aus Kolonialzeit in Sammlungen
Unter den Objekten aus Kolonialzeiten sind menschliche Überreste ein besonders sensibles Kapitel. Auch in baden-württembergischen Sammlungen lagern sie zahlreich. Der Umgang damit ist kompliziert.
In feierlichen Zeremonien hat Baden-Württemberg im späten Frühjahr menschliche Überreste an den US-Bundesstaat Hawaii und an eine neuseeländische Delegation übergeben. Schon damals war klar, dass es sich nur um einen kleinen Teil der noch verbliebenen Überreste in den größeren staatlichen Sammlungen von Museen und Universitäten des Landes handelt. Nach einer neuen Umfrage lagern sogar noch mindestens 2000 menschliche Überreste aus kolonialen Zusammenhängen dort.
Die Zahl hat die Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland ermittelt. In den bundesweit befragten 33 Einrichtungen fanden sich insgesamt circa 17.000 menschliche Überreste aus kolonialen Zusammenhängen. Aber die genaue Anzahl könne auch noch über den angegebenen Schätzungen liegen, hieß es dazu am Freitag in Berlin.
Basis war die Befragung von Einrichtungen mit relevanten Beständen menschlicher Überreste in anthropologischen, anatomischen, medizinhistorischen, ethnologischen oder paläontologischen Sammlungen. Nach Angaben des baden-württembergischen Wissenschaftsministeriums sind die Sammlungen der Universitäten Freiburg und Tübingen, der staatlichen Naturkundemuseen in Karlsruhe und Stuttgart sowie des ethnologischen Linden-Museums Stuttgart Teil der Umfrage.
Aufbewahrt werden dort demnach noch Schädel, vollständige Skelette oder Teile davon und Haarproben. Die Überreste stammen meist aus Afrika, aber auch aus Ländern in Amerika, in Asien und Ozeanien. Die genaue Herkunft ist in vielen Fällen – ebenso wie in den anderen deutschen Einrichtungen – unbekannt, teilte das Ministerium in Stuttgart mit.
«Die Frage, wie mit menschlichen Gebeinen in deutschen Museums- und Universitätssammlungen umzugehen ist, stellt sich für alle Träger einschlägiger Sammlungen», sagte die baden-württembergische Wissenschafts- und Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne) am Freitag. «Es ist gut, dass Länder, Bund und Kommunen diese Frage als gemeinsame Aufgabe begreifen.»
Die sogenannten Rückführungen aus Baden-Württemberg stehen im größeren Zusammenhang von Rückgaben von Museumsstücken aus der Kolonialzeit. Museen wollen bei der Aufarbeitung des kolonialen Erbes ihren Beitrag zur Wiedergutmachung leisten. Denn die Stücke wurden in ehemaligen europäischen Kolonien erworben, deren Rahmenbedingungen durch das Herrschafts- und Machtgefälle zwischen Kolonialmacht und Einheimischen geprägt war.
Bundesweit lassen sich etwa 46 Prozent der Überreste bisher allerdings nicht geografisch zuordnen. «Hinzu kommt, dass nicht klar ist, an wen wir zurückgeben müssten», sagte Olschowski. Notwendig seien das Wissen und die Perspektiven aus den Herkunftsländern, der Austausch und die Zusammenarbeit mit den Nachfahren, den Institutionen und den Expertinnen und Experten. «Wir sind bereits in guten Gesprächen. Die Erfahrungen, die wir in den bisherigen Rückgaben gewinnen konnten, helfen uns und unseren Einrichtungen.»
Nach Angaben der Ministerin sollen unter anderem generelle ethische Standards für eine angemessene Aufbewahrung in den Sammlungen entwickelt werden. Ergebnisse sollen insbesondere mit Experten aus den Herkunftsländern beraten werden. Zudem müsse besprochen werden, was mit menschlichen Überresten geschehen soll, deren Herkunft nicht geklärt werden kann.
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