Jugendämter & soziale Einrichtungen
Corona: Bessere Konzepte für Kinderschutz gefordert

Jugendämter & soziale Einrichtungen Corona: Bessere Konzepte für Kinderschutz gefordert

Quelle: dpa/Marijan Murat
dpa

Minderjährige brauchen eine Stimme, in Zeiten von Corona lauter denn je. Das stellt auch den Kinder- und Jugendschutz vor Bewährungsproben, denn die Pandemie wird noch lange dauern. Langfristige Konzepte sind gefragt.

Corona wird das Land noch monatelang im Griff behalten – ohne auf die Krise zugeschnittene Angebote etwa von Jugendämtern oder sozialen Einrichtungen könnte der Schutz von Kindern und Jugendlichen aus Sicht von Experten Schaden nehmen. „Ich sehe großen Entwicklungsbedarf“, sagte Jürgen Strohmaier, Leiter des Referates Hilfe zur Erziehung beim Landesjugendamt Stuttgart. „Die Krise wird zur Normalität werden. Dafür haben wir kein umfassendes Konzept“, warnte er.

So müsse man verstärkt die Möglichkeit offener Jugendarbeit über digitale Medien nutzen. Einige der 46 Jugendämter im Südwesten hätten etwa in ihren Erziehungsberatungsstellen Kameras installiert: Familien oder Jugendliche in Not könnten dort anrufen und den Berater sehen. Auf Wunsch könne der Anrufer auch selbst gesehen werden „und sich von Angesicht zu Angesicht beraten lassen“, erklärte Strohmaier.

Man müsse sich auf mindestens sechs weitere Monate der Corona-Krise einstellen und auf eine mögliche zweite Welle. „Ich will da gar nichts beschönigen. Wir haben viel zu tun“, sagte er auch mit Blick auf die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) der Länder an diesem Mittwoch. Dabei wollen sich die Bundesländer per Videoschaltkonferenz in Pforzheim austauschen.

Auf der Agenda steht nach Auskunft des Sozialministeriums in Stuttgart unter anderem die Frage: „Wie erfahren wir unter Pandemiebedingungen von Kindern, die Probleme haben?“ Den Vorsitz der Fachkonferenz hat in diesem Jahr Baden-Württemberg. Vorab wollte sich das Sozialministerium nicht detaillierter äußern. Man erwarte eine lebhafte Debatte der Länder zum Thema Kinderschutz, sagte eine Ministeriumssprecherin. Dem wolle man nicht vorgreifen.

„Ich würde mir sehr wünschen, dass niederschwellige Angebote zunehmen und finanziert würden für Kinder und Familien“, sagte Bettina Müller, die als Psychologin beim ausschließlich spendenfinanzierten Kinderschutzzentrum Ulm/Neu-Ulm arbeitet. Sie forderte einen Hilfsfonds für solche Zentren – ähnlich dem Hilfsfonds für Frauenhäuser. Wichtig sei, dass auch während der Pandemie viele Ansprechpartner zur Verfügung stünden, sagte der Vorstandschef der Diakonie Württemberg, Dieter Kaufmann. Angebote für junge Menschen müssten möglichst früh wieder geöffnet werden.

Die Corona-Krise habe lediglich neues Licht auf alte Probleme geworfen, monierte in diesem Zusammenhang Michael Gomolzig, Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). „Wir müssen in Lehrer und Schulsozialarbeit investieren.“ Sonst blieben genau die Kinder auf der Strecke, die auch sonst schwer zu erreichen seien.

Strohmaier betonte unterdessen aber auch: „Zu Familien, die vor Corona in der Krise waren, haben wir weiterhin Kontakt.“ Es gebe einen Austausch per Telefon, Video, Skype, sogar Treffen unter den nötigen Sicherheitsvorkehrungen seien möglich. Nur weil Kitas und Schulen zu gewesen und teilweise immer noch geschlossen seien, „heißt das noch lange nicht, dass wir aufgehört haben, hinzuschauen“.

Valide Zahlen beispielsweise zur Zunahme häuslicher Gewalt gegen Kinder oder Jugendliche gebe es nicht. „Wir werden das erst im Nachgang sehen“, sagte er. Es gebe aber ein Dunkelfeld, das wegen Corona noch dunkler geworden sei. „Und wir haben keine Taschenlampe, mit der wir da rein leuchten können.“

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