Corona-Schnelltests sind gut: Aber Personalmangel wiegt schwer

Corona-Schnelltests sind gut: Aber Personalmangel wiegt schwer

Quelle: Sebastian Gollnow

Kopf in den Nacken, Mund auf, ein Stäbchen kommt tief in Rachen und Nase. Angenehm ist ein Corona-Schnelltest nicht, könnte aber helfen, Ausbrüche zu verhindern. Die Tests sollen flächendeckend in die Heime kommen. Noch mehr Arbeit für ohnehin überlastetes Personal.

Die Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg warnen wegen des zusätzlichen Aufwands durch Corona-Schnelltests vor weiteren Personalengpässen. Zwar seien Tests an sich sinnvoll, um Bewohner und Mitarbeiter vor Ansteckung zu schützen. Mit dem bestehenden Personal seien Testungen aber nur mit Mühe zu bewerkstelligen, kritisierten Träger wie etwa die AWO Karlsruhe oder die Diakonie Württemberg. Eine bis eineinhalb Stellen zusätzlich veranschlagt beispielsweise das Pauline-Krone-Heim der Altenhilfe Tübingen mit derzeit rund 80 Bewohnern. «Das ist schon eine Herausforderung», sagt Geschäftsführerin Anke Baumeister.

Die Altenhilfe Tübingen war nach Worten Baumeisters eine der ersten, die die Schnelltests in ihre drei Einrichtungen gebracht hatten: Seit fast drei Wochen wird dort getestet. Zweimal die Woche Besucher, zweimal pro Woche Mitarbeiter, immer mittwochs Bewohner. Rund 2500 Tests hat die Altenhilfe fürs erste beschafft. Wie lange das reicht, sei noch nicht klar. Vor allem für die Bewohner müsse sich die zuständige Fachkraft Zeit nehmen, gut zureden, Ruhe ausstrahlen während des nicht gerade angenehmen Testprozederes. «Damit ist sie eigentlich den ganzen Tag gebunden», sagte Baumeister.

Nach einer Hochrechnung des Deutschen Evangelischen Fachverbands für Altenarbeit und Pflege (Devap) wären für eine Einrichtung mit 80 Bewohnern bei wöchentlichen Testungen sogar 2,5 Vollzeitstellen zusätzlich nötig: «Unter anderem auch deshalb, weil die Abnahme eines Tests bei dementiell erkrankten Menschen oder Menschen mit Mehrfachbehinderungen viel Empathie und einen deutlich erhöhten Zeitaufwand im Vergleich zu einer reguläre Reihentestung bedeutet», sagte dazu eine Sprecherin der Diakonie Württemberg.

«Der Mangel an Pflegefachkräften schlägt sich gerade jetzt sehr nieder», sagte auch eine Sprecherin der AWO Karlsruhe. Denn nur diese Fachkräfte sollen, nach entsprechender Zusatz-Schulung durch Hausärzte, die Tests durchführen dürfen. «Das ist schwer zu bewältigen neben all den anderen pflegerischen Tätigkeiten, die es zu leisten gilt», sagte sie.

Außerdem seien die Antigen-Tests nicht zu 100 Prozent sicher. Es gelte deshalb abzuwägen zwischen der Sicherheit für Bewohner und Personal und der Bedeutung des Kontakts zu den Angehörigen. Auch die Stiftung Patientenschutz hatte bereits zuvor auf den Personalmangel verwiesen.

In Stuttgart sollen Ehrenamtliche in den Einrichtungen bei den Testungen helfen. Die Stadt suche über die Koordinierungsstelle für Engagementförderung und die Freiwilligenagentur nach Engagierten mit medizinischem Hintergrund. Auch einen öffentlichen Aufruf soll es geben. Insgesamt beschafft die Stadt 30 000 Schnelltests für Besucher von Alten- und Pflegeheimen.

Unterdessen ist mit der sogenannten zweiten Coronawelle das Virus in den letzten Wochen mit Wucht in die Seniorenheime zurückgekehrt. Seit Anfang Oktober wurden dem Stuttgarter Landesgesundheitsamt in Einrichtungen landesweit 833 infizierte Mitarbeiter gemeldet. 1551 dort betreute Menschen steckten sich an; 106 seien gestorben, berichtete die Behörde am vergangenen Freitag (13. November).

Dabei wurden 61 Ausbrüche in Heimen gezählt. Als Corona-Ausbruch wird gewertet, wenn mindestens zwei miteinander zusammenhängende Coronafälle in einer Einrichtung auftreten. Betrachtet man nur die Ausbrüche, so wurden dem LGA 813 Infizierte gemeldet.

Antigen-Tests suchen in Abstrichen aus Mund und Nase nur nach Molekülen, die charakteristisch für die Viren sind. Das Ergebnis liegt in etwa 15 bis 30 Minuten vor und damit wesentlich schneller als bei den sonst üblichen PCR-Tests. Letztere sind dafür aber zuverlässiger.

 

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