Drogenkonsumraum ist ab sofort zugänglich
Drogenkonsumraum in Karlsruhe – landesweit erste Einrichtung öffnet

Drogenkonsumraum ist ab sofort zugänglich Drogenkonsumraum in Karlsruhe – landesweit erste Einrichtung öffnet

Quelle: Uli Deck/dpa

In der Karlsruher Kriegsstraße wird eine Einrichtung eröffnet, die eine Stütze für Schwerstabhängige sein soll. Im Drogenkonsumraum können unter Aufsicht und hygienisch besseren Bedingungen mitgebrachte Rauschmittel konsumiert werden.

Es ist ein Novum in Baden-Württemberg: In Karlsruhe geht ein Drogenkonsumraum an den Start. Dort können Schwerstabhängige mitgebrachtes Rauschgift konsumieren. Das soll Drogenkranken helfen und die illegale Drogenszene in Karlsruhe eindämmen. Doch bis es soweit kommen konnte, waren viele Verhandlungen und Änderungen in Verordnungen notwendig.

Doch all das ist am Freitag, 06. Dezember 2019, vergessen. Dann nämlich wurde in Karlsruhe der erste Drogenkonsumraum in Baden-Württemberg eröffnet. Bislang gibt es ein solches Angebot in nur sechs anderen Bundesländern.

Drogen müssen die Besucher selbst mitbringen

Das Ziel des Drogenkonsumraums ist schnell zusammengefasst: Chronisch Drogenabhängige sollen hier die Möglichkeit haben, mit Ansprechpartnern in Kontakt zu kommen und ihre Sucht nicht auf offener Straße sondern unter hygienischen Bedingungen nachzugehen. Das Aufsichtspersonal hat dabei ein Auge darauf, dass kein Drogenmissbrauch stattfindet und steht mit Rat zu möglichen Auswegen aus der Sucht zur Seite.

Ein langer metallener Tisch, davor vier apfelgrüne Plastikstühle, über jedem Platz ein Spiegel und rechts davon je eine angekettete Schere – der Drogenkonsumraum ist simpel eingerichtet, hell und sauber. Mit den Scheren können die Besucher eingewickelte Rauschmittelportionen öffnen, erklärt Sozialarbeiter Eric Kramer. Im Spiegel können sie Venen an ihrem Hals finden. Daneben stehen den Abhängigen allerlei Utensilien zur Verfügung: Von Spiegelchen, Karte und Röhrchen zum Kokain-„Schnupfen“ bis zu Löffel, Feuerzeug und Zitronensäure-Kapsel zum Aufkochen von Heroin. Einzig das Rauschmittel muss sich jeder selbst mitbringen.

 

Gespräch vor Nutzung des Drogenkonsumraums

Wer den Drogenkonsumraum nutzen will, muss zu einem Erstgespräch gehen und eine Nutzungsvereinbarung unterschreiben. Bis zu vier Abhängige gleichzeitig können hier ihre mitgebrachten Drogen einnehmen. Vor Ort sind immer auch eine Sozialarbeiterin und ein Krankenpfleger, erklärt Petra Krauth, Leiterin des Kontaktladens. Es gibt strenge Hygienevorschriften und Regeln. „Die sind das A und O“, sagt Kramer. Wer sie bricht, bekommt Hausverbot. Nach dem Konsum können die Menschen in den Aufenthaltsraum im Kontaktladen nebenan gehen.

Der Drogenkonsumraum soll allerdings auch die Anwohner der Plätze in Karlsruhe entlasten, wo bislang Drogen konsumiert wurden. Einer davon ist der Werderplatz in der Karlsruher Südstadt,  wo sich nach Angaben der Stadt Karlsruhe bis zu 80 Süchtig am Tag getroffen haben. Bereits seit einiger Zeit herrscht dort mittlerweile ein Alkoholverbot – ein Teil des Konzepts, um die Situation rund um den Platz zu verbessern. Hier wurde unter anderem schon ein Alkoholkonsumraum für Suchtkranke eingerichtet, mit einem ähnlichen Ansatz, wie eben der Drogenkonsumraum jetzt.

 

Drogenkonsumraum Karlsruhe

|Quelle: Florian Kaute

 

Neben dem Raum gibt es eine Beratungsstelle

Dieser ist nun in der Kriegsstraße eingerichtet. Es gibt vier Plätze, die nun ab sofort während der Öffnungszeiten des bereits bestehenden Kontaktladens für Suchtkranke, dem „get IN“ in der Kriegsstraße genutzt werden können. Für den Drogenkonsumraum wurde eigens ein etwa 30 Quadratmeter großer Nebenraum umgebaut. Die Anlaufstelle und der Drogenkonsumraum werden unter der Trägerschaft der AWO Karlsruhe betrieben.

Laut deren Angaben nutzen schon heute bis zu 35 Menschen täglich die Möglichkeit, ohne Terminabsprachen oder Verpflichtungen zu weitergehenden Schritten im Hinblick auf Beratungs- und Behandlungsziele, das get IN zu besuchen. Dort angeboten wird unter anderem ein Café-Bereich mit täglichen warmen Mahlzeiten, Dusch- und Waschmöglichkeiten oder auch der Tausch von Spritzen. Oberste Priorität hat dabei die Schadensminimierung bei den Abhängigen und das Ziel, die Verelendung in gesundheitlicher und sozialer Hinsicht zu unterbrechen – nun eben mit der zusätzlichen Option eines überwachten Drogenkonsums.

 

Drogenkonsum in Absprache mit der Polizei

Die Menschen in ihrer Kontaktstelle hätten unterschiedlich auf die Pläne des Raums reagiert, sagt Krauth. „Gestern waren welche bei uns, die gleich rein wollten.“ Es gebe aber auch Skeptiker, die Angst hätten, vor dem Gebäude direkt von der Polizei abgefangen zu werden. Dass das nicht passiere, sei aber eng abgesprochen. Anwohner und Gaststättenbetreiber in der Nachbarschaft und zwei nahe gelegene Schulen seien ebenfalls im Vorfeld informiert worden. Von ihnen habe sich aber keiner gegen den Drogenkonsumraum gewehrt.

„Der Drogenkonsumraum [kann] natürlich auch dazu beitragen, öffentlich wahrnehmbare Szenenansammlungen zu reduzieren und oft damit verbundene, konsumspezifische Verunreinigungen zu reduzieren“, wird Caren Denner, die Karlsruher Polizeipräsidentin zitiert. „Das wäre ein Zugewinn an Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung und als Begleiterscheinung auch wünschenswert.“

 

Politiker machen sich ein Bild vom Drogenkonsumraum

Die Eröffnung in Karlsruhe wohnte zudem Manfred Lucha, Minister für Soziales und Integration Baden-Württemberg, bei: „Ich freue mich sehr darüber, dass heute in Karlsruhe der ersten Drogenkonsumraum in Baden-Württemberg eröffnet. Er ergänzt unsere bestehenden Angebote der Suchtprävention und Suchthilfe im Land durch ein spezielles niedrigschwelliges Angebot zur Gesundheits-, Überlebens und Ausstiegshilfe für Betroffene, die wir bisher kaum erreichen.“ Karlsruhes Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup ergänzt: „Die Einrichtung eines Drogenkonsumraums ist ein längst überfälliger Schritt in Karlsruhe und auch in Baden-Württemberg.“

 

Kontakt & Öffnungszeiten der Anlaufstelle für Drogengebraucher & des Drogenkonsumraums

Montag bis Samstag & Feiertage 10:00 Uhr bis 16:00 Uhr
Sonntag geschlossen

Ein Besuch der Einrichtung ist während der Öffnungszeiten und ohne Voranmeldung möglich. Als Kontaktpersonen werden die Sozialarbeiterin Petra Krauth und Eric Kramer genannt. Zu finden ist die Anlaufstelle in der Kriegsstraße 76.

Telefonisch erreichbar ist die Einrichtung unter 0721/375635 oder per Mail an getin@awo-karlsruhe.de

Artikel enthält Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa)

 

Hier ist das get IN & der Drogenkonsumraum

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