News aus Baden-Württemberg Wie lange warten auf zweite Dosis? Experten sehen Spielräume
Die einen warten noch auf ihre erste Corona-Impfung. Die anderen hätten vor dem Sommerurlaub gerne noch schnell die zweite, um mehr Freiheiten zu haben. Der Druck vor allem auf die Hausärzte steigt, flexibler vorzugehen. Auch Virologen haben dazu eine Meinung.
An Terminen für Corona-Erstimpfungen mangelt es gerade unter anderem deshalb, weil die verfügbaren Impfstoffe für die anstehenden Zweitimpfungen genutzt werden. So erklären es Hausärzte nachfragenden Patienten am Telefon, die dann auf die Warteliste müssen. Und so teilte es die die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg vergangene Woche ganz offiziell mit. Auf der anderen Seite ersehnen Einmal-Geimpfte die zweite Dosis, weil bei vollem Impfschutz nach geltendem Recht mehr Freiheiten winken. Mit Blick auf die Sommerferien ist das nicht ganz unerheblich.
Wie fix sind denn die Zeiträume, die zwischen den beiden Impfungen liegen sollen? Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna einen Abstand von sechs Wochen, beim Impfstoff von Astrazeneca dagegen zwölf Wochen. Das Vakzin von Johnson & Johnson muss nur einmal geimpft werden.
Doch während der Ulmer Virologe Thomas Mertens als Stiko-Vorsitzender nichts von einer Verkürzung hält, sehen andere Virenexperten durchaus Spielräume. Der Tübinger Reisemediziner Peter Kremsner etwa sagte zwar, die Corona-Impfstoffe hätten ihre Zulassung in Verbindung mit den entsprechenden Impfabständen erhalten und sollten auch so geimpft werden. «Nur mit guten Gründen sollte man davon abweichen.»
Doch in der Reisemedizin sei es etwa durchaus üblich, von solchen Vorgaben abzuweichen, um Menschen kurz vor einer Reise noch einen Impfschutz zu ermöglichen. Auch bei den Corona-Impfungen sei eine Abweichung von den vorgesehenen Impfabständen möglich, sagte der Leiter des Instituts für Tropen- und Reisemedizin des Universitätsklinikums in Tübingen, der die Studie für den Corona-Impfstoff des Tübinger Biotech-Unternehmens Curevac leitet.
Hausärzte im Südwesten hatten berichtet, dass sie Anfragen erhielten von Menschen, die lieber mit den Corona-Impfstoffen von Biontech und Moderna geimpft werden wollten, da bei diesen die Zweitimpfung schon nach rund sechs Wochen anstehe und so schneller ein vollständiger Impfschutz erreicht werden könne. Anfang Mai stellte das Bundesgesundheitsministerium es den Ärzten und Impfwilligen frei, den Abstand auf bis zu vier Wochen zu verkürzen.
Virenexperte Kremsner erinnerte daran, dass Menschen nach der ersten Impfung nicht über den vollen Impfschutz verfügten. Der Verkürzung der Impfabstände seien Grenzen gesetzt: «Die zweite Impfdosis bereits nach wenigen Tagen zu impfen, macht keinen Sinn.»
Stiko-Chef Mertens sprach sich im Gespräch mit «Zeit Online» klar gegen eine Verkürzung etwa bei Astrazeneca aus. Den Abstand zu verkürzen, sei wissenschaftlich Unsinn. Wenn statt zwölf nur vier Wochen zwischen den beiden Impfungen lägen, verringere sich der Impfschutz, sagte Mertens. Bei zwölf Wochen Abstand betrage die Wirksamkeit über 80 Prozent, bei vier nur gut über 50.
Der Berliner Virologe Christian Drosten hatte vor zwei Wochen im Podcast «Coronavirus-Update» (NDR-Info) gesagt, er halte es nicht für verwerflich, sich zwei Astrazeneca-Impfdosen in Absprache mit dem Arzt in einem Abstand von vier Wochen verabreichen zu lassen und dann in den Urlaub zu fahren. Durchschlagskraft und Nachhaltigkeit der zweiten Dosis seien dann zwar nicht so stark wie nach zwölf Wochen Abstand. Aber es sei immer noch besser, als nur eine Dosis zu haben. Man könne sich auch in einigen Monaten erneut impfen lassen.
Anders sieht es laut Kremsner bei einem längeren Abstand als empfohlen zwischen den beiden Impfdosen aus. Verlängere man den Abstand, habe man vor der zweiten Impfdosis vermutlich einen geringeren Schutz als sonst vorgesehen. «Doch nach der zweiten Impfung sollte der Impfschutz gleich gut sein – auch bei einem längeren Abstand zwischen den Impfungen als vorgesehen», so Kremsner.
Ob nach den Sommerferien im Herbst erneut eine Impfung notwendig sein wird, lässt sich aus Sicht Kremsners derzeit nicht sagen. Dazu fehlten noch die Daten. «Schaden wird eine dritte Impfung aber sicher nicht.» Wie lange und wie gut der Schutz einer Impfung anhalte, könne individuell sehr unterschiedlich sein. Abschätzen lasse sich das etwa durch das Messen von Antikörpern. «Doch selbst bei Impfstoffen, die wir schon sehr lange kennen, fehlt uns zum Teil die Erfahrung, wie lange sie wie gut wirklich schützen», sagte Kremsner.
Auch nach Angaben des Robert Koch-Instituts gibt es noch keine Daten, wie lange der Impfschutz besteht. Davon abhängig wären Angaben, ob und wann eine Auffrischungsimpfung nötig wird. Die Hersteller untersuchen selbst fortlaufend die Wirksamkeit ihrer Vakzine und arbeiten auch schon an den Impfstoffen der zweiten Generation, die unter anderem gegen mutierte Viren wirken sollen.
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