Die Vergangenheit der Fächerstadt
Blick in die Geschichte: Einst Milchzentrale, heute EnBW-Hauptsitz

Die Vergangenheit der Fächerstadt Blick in die Geschichte: Einst Milchzentrale, heute EnBW-Hauptsitz

Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8/Bildstelle III/1484

Im Vergleich zu anderen Städten ist die Geschichte von Karlsruhe recht jung – aber dennoch nicht weniger interessant! In der Historie unserer Fächerstadt verstecken sich nämlich so manche abenteuerliche und wissenswerte Ereignisse und Erzählungen.

Die Geschichte des Areals an der Durlacher Allee

Die Geburtsstunde der EnBW Energie Baden-Württemberg AG datiert auf den 20. August 1997. Mit über 21.000 Mitarbeitern ist die EnBW heutzutage eines der größten Energieversorgungsunternehmen in Deutschland und versorgt rund 5,5 Millionen Kunden. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in der Durlacher Allee 93 an der Kreuzung Ostring.

Doch was war auf dem Gelände zu finden, bevor die EnBW das Gelände im Jahr 1995 übernahm und dort das Büro- und Verwaltungsgebäude errichtete? Hier wurde Milch produziert, denn über 50 Jahre lang – ab 1936 – war auf dem Gelände die Karlsruher Milchzentrale zu finden. Doch die Geschichte der Milchzentrale reicht noch 30 weitere Jahre zurück.

meinKA wirft einen Blick zurück.

 

EnBW Zentrale Durlacher Allee

Die EnBW-Zentrale an der Durlacher Allee | Quelle: EnBW/Andy Ridder

 

Die Entstehung der Karlsruher Milchzentrale

1906 wurde die genossenschaftliche Karlsruher Milchzentrale gegründet. Deren Betrieb war zunächst im Gebäude der Dampfmolkerei Witt in der Gerwigstraße verortet. Weil die Produktion ungenügend war und im Rahmen der Zwangsbewirtschaftung entstand im Ersten Weltkrieg dann zusätzlich die Städtische Milchzentrale. Im Dezember 1916 nahm diese in der Zähringerstraße 45/47 ihren Betrieb auf. Eine weitere Städtische Milchzentrale gab es zu der Zeit noch in Durlach im Weiherhof, doch im Jahr 1934 wurde sie aufgelöst.

Am 9. April 1924 wurden das städtische Milchamt und die genossenschaftliche Milchzentrale zur Karlsruher Milchversorgung GmbH zusammengelegt, doch dieser Zustand hielt nur kurz. Bereits ein Jahr später wurde sie wieder getrennt – wegen Unstimmigkeiten zwischen Stadt und Milchhändlern. Während die Milchzentrale der Stadt in der Zähringerallee bis zum Jahr 1932 bestand, ging die Geschichte der genossenschaftlichen Milchzentrale weiter.

 

Milchzentrale Karlsruhe

Verarbeitung von Milch bei der Milchzentrale Karlsruhe | Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe /BA Schlesiger 1982/A44_16_6_32

 

Sie wurde von der Badischen Landwirtschaftlichen Hauptgenossenschaft eGmbH, dem Badischen Molkereiverband e.V. und der Karlsruher Milchhändlergenossenschaft eGmbH in der Südstadt in der Lauterbergstraße weitergeführt. Außerdem wurde sie um zahlreiche Außenstellen erweitert, unter anderem in Rastatt, Bruchsal, Bretten und Flehingen.

 

Die Entwicklung der H-Milch

Im Jahr 1936 ging es dann für die Milchzentrale in einen Neubau an der Durlacher Allee. Die Mitarbeiter der Milchzentrale Karlsruhe leisteten Ende der Sechzigerjahre Pionierarbeit auf dem Gebiet der Aseptik – dem Wissen um die Keimfreiheit – und entwickelten die H-Milch. Als erste süddeutsche Molkerei bot die Milchzentrale in Karlsruhe dann H-Milch und 1977 haltbare Sauermilchprodukte an.

 

Milchzentrale Karlsruhe

Inbetriebnahme einer neuen Anlage zur Erzeugung haltbarer Milch | Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger 1965/A12a_157_3_4

 

Der landwirtschaftliche Strukturwandel, aber vor allem die Milchquote der EU waren ausschlaggebend für den Niedergang der Milchzentrale. Im Jahre 1984 führte die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaf (EWG) nämlich eine Quotenregelung ein, um die Milchproduktion in den Mitgliedstaaten zu beschränken. Jedem Mitgliedsstaat wurde eine feste Produktionsquote für Milch zugewiesen. In Deutschland wurde diese Quote auf die milcherzeugenden Betriebe verteilt. Lieferte ein Milchproduzent mehr Milch als er über Quoten verfügte, wurde er sanktioniert: Überlieferte Mengen unterlagen einer hohen Strafabgabe, der sogenannten Superabgabe.

Nach der Einführung der EU-weiten Milchquote mussten 80 Prozent der Milchproduzenten ihren Betrieb aufgeben. Im Jahr 1989 ging es auch der Milchzentrale in Karlsruhe nicht anders. Sechs Jahr später startete der Bau des EnBW-Hauptsitzes auf dem Areal. 

 

5 Fakten zur früheren Milchzentrale

  • Die Milchzentrale Karlsruhe galt wegen der H-Milch als „Flaggschiff unter den Milchzentralen“ in Deutschland.
  • Ab dem Jahr 1972 kamen die Produkte der Karlsruher Milchzentrale unter dem Markennamen „Goldsiegel“ in die Läden.
  • Im Oktober 1977 war der Bundesernährungsminister Josef Ertl in der Milchzentrale Karlsruhe. Anlass war die Inbetriebnahme der neuen Anlage zur Haltbarmachung von Sauermilchprodukten.
  • Nach der Tschernobyl-Katastrophe 1986 ging der Umsatz von freigegebenen Milchprodukten drastisch zurück. Milch war schwer zu verkaufen – und auch die Milchzentrale Karlsruhe hatte darunter zu leiden.
  • Im Jahr der Schließung arbeiteten noch 130 Beschäftigte bei der Milchzentrale Karlsruhe.

 

Milchzentrale Karlsruhe

12.000 Liter Milch fassten die Tanks in der Milchzentrale. | Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8/BA Schlesiger 1949-1952/A2_16_5_11

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