Corona in Baden-Württemberg Diakonie rechnet mit Aufnahmestopps wegen Teil-Impfpflicht
Bis zum 15. März sollen Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind. Andernfalls sind die Gesundheitsämter am Zug. Aber das könnte auch Folgen haben für künftige Pflegefälle und für deren Angehörige, warnt die Diakonie.
Trotz des vorgesehenen Starts Mitte März wird sich die Umsetzung der Corona-Impfpflicht für Beschäftigte in der Pflege und im Gesundheitswesen nach Ansicht der Diakonie Württemberg deutlich länger hinziehen. Außerdem müssten sich künftige Pflegefälle und ihre Angehörigen darauf gefasst machen, dass die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht wegen möglicher Ausfälle im Personal auch für sie Konsequenzen haben könnte. «Wir haben alles aktiviert», sagte Eva-Maria Armbruster, Expertin für Sozialpolitik im Diakonischen Werk, am Mittwoch in Stuttgart. Falle aber Personal aus, könnten nicht mehr alle Pflegefälle versorgt werden. «Da können wir irgendwann nur mit Aufnahmestopps reagieren und in der Tagespflege die Plätze reduzieren.»
Es werde dann wichtig werden, vor allem die Menschen gut zu betreuen, die bereits in der stationären Hilfe aufgenommen worden seien. «Wir werden nicht mehr alle Wünsche erfüllen können», sagte Armbruster. Tagespflegen schlössen ganz oder könnten die Gäste nur an wenigen Tagen betreuen. In der ambulanten Versorgung werde sich die Diakonie stark auf Menschen zum Beispiel in der Palliativversorgung konzentrieren. Das bedeute zudem, dass pflegende Angehörige wieder mehr belastet würden.
Die Impfpflicht treffe die Diakonie keineswegs nur in Pflegeheimen und Krankenhäusern, warnte Armbruster weiter. «Das gilt auch für die Eingliederungs- und der Behindertenhilfe, für die Psychiatrie, in der Jugend- der Wohnungsnotfall- und der Suchthilfe.»
Nach wie vor gebe es zu viele Fragen zum Arbeitsrecht. Unklar sei auch das Vorgehen für den Zeitpunkt, wenn das Gesetz zum 15. März zwar gültig sei, die Betreuungsverbote durch die Gesundheitsämter aber noch ausgesprochen werden müssten. «Wir rechnen mit einer heterogenen Situation in Baden-Württemberg. Die einen schaffen es, die anderen schaffen es nicht so schnell», sagte Armbruster. Es werde einen «Flickenteppich in der Umsetzung» geben.
Landesgesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) verteidigte die Teil-Impfpflicht gegen die Kritik: «Sie dient dem Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Mitarbeitenden», sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa. Gerade mit Blick auf den Herbst und Winter sei der Immunschutz in den Einrichtungen besonders wichtig. «Fest steht: Der erste Piks zählt», sagte Lucha. «Jeder und jede, der oder die sich vor dem 15. März zum ersten Mal impfen lässt, hat kein Betreuungsverbot zu befürchten.» Mit Novavax gebe es ab der kommenden Woche auch einen weiteren Impfstoff. Den Einrichtungen sicherte er zu, sie bei der Umsetzung «bestmöglich zu unterstützen».
Nach einer Umfrage seien 85,4 Prozent der Beschäftigten in baden-württembergischen Pflegeheimen mindestens doppelt geimpft, sagte sie weiter. Fast jeder Zehnte gelte als ungeimpft. Bislang gebe es aber kaum Kündigungen wegen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht.
Diese greife aber zu kurz, kritisierte Armbruster weiter. «Natürlich ist sie wichtig zum Schutz der vulnerablen Gruppen. Den Pflegepersonen im Gesundheitswesen darf aus unserer Sicht aber nicht allein die Verantwortung für einen wirksamen Infektionsschutz überlassen werden.» Eine generelle Impfpflicht sei wirksamer und zudem ein Akt der Solidarität.
Aktuell liegen laut Diakonie kaum Kündigungen wegen der Impfpflicht vor, es melden sich jedoch mehr Mitarbeitende krank, oft wegen der Omikron-Variante. Grund für Kündigungen sei oft die physische und psychische Überlastung in den vergangenen beiden Jahren.
Die im Dezember von Bundestag und Bundesrat beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht legt fest, dass Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken bis 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen – oder ein Attest, nicht geimpft werden zu können. Arbeitgeber müssen die Gesundheitsämter informieren, wenn das nicht geschieht. Diese können die Beschäftigung in der Einrichtung untersagen. Zuletzt gab es in mehreren Bundesländern Kritik und offene Fragen zur konkreten Umsetzung.
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