News aus Baden-Württemberg Karlsruher Krisentelefon für „Tatgeneigte“ Beratung gefragt
Seit fast einem Jahr gibt es das bundesweite Krisentelefon für «Tatgeneigte» des Karlsruher Opferschutzvereins Bios. Das Ziel: Ein Gewaltbereiter holt sich Hilfe, statt womöglich zur Tat zu schreiten. Eine Befürchtung von Bios in Corona-Zeiten hat sich nicht bestätigt.
Pädophile, Exhibitionisten oder Menschen mit Gewaltfantasien: Rund 190 Menschen haben seit Gründung des bundesweiten Krisentelefons für sogenannte Tatgeneigte beim Karlsruher Opferschutzverein Bios angerufen und sich beraten lassen. Der Verein hatte das kostenlose und anonyme Angebot im März extra während der Corona-Krise eingerichtet. Es ist für Leute gedacht, die zum Beispiel Angst davor haben, gewalttätig gegen einen Angehörigen zu werden, einen sexuellen Übergriff an einem Kind zu begehen oder eine verbotene Seite mit kinderpornografischem Inhalt zu besuchen.
Etwa 60 Prozent der Anrufenden habe der Verein der Kategorie «tatgeneigt» zugeordnet, sagte Bios-Sprecherin Lisa Bux der Deutschen Presse-Agentur. Aber auch Menschen mit Depressionen und Transsexuelle hätten über die Rufnummer 0800 7022240 Hilfe gesucht. In der Regel dauerten die Telefonate eine Stunde. Aber auch mehrere Kontakte seien möglich. Das Angebot sei in dieser Art deutschlandweit einmalig.
Bis zu 20 Prozent der Hilfesuchenden seien sofort in eine Therapie aufgenommen worden. Anderen würden passende Angebote von Partnerorganisationen gesucht, sagte Bux. Wichtig sei, dass die Therapie in der Nähe des Wohnorts angeboten werde. «Wir können online zwar viel machen», sagte die Bios-Sprecherin. «Aber in einer Therapie sollte man nicht nur mit einer Mattscheibe reden.»
Gerade bei Themen wie sexuellen Fantasien gegenüber Kindern sei die Hemmschwelle groß, mit jemanden darüber zu sprechen. Daher entspreche die Resonanz den Erwartungen. «Vor allem haben die Personen angerufen, für die wir es konzipiert haben», freute sich Bux. Auch die Polizei gebe positives Feedback und vermittle potenzielle Täter.
Vor den nach und nach immer weiter verschärften Einschränkungen des öffentlichen Lebens wegen der Corona-Pandemie im November hatte die Initiative darauf hingewiesen, dass besonders Ausgangsbeschränkungen die Gefahr bestimmter Straftaten erhöhen könnten. Gefühle von Einsamkeit oder Langeweile, Isolation, eine Zunahme von Gefahrennachrichten und finanzielle Nöte könnten Spuren hinterlassen. Das habe sich bislang glücklicherweise nicht bestätigt, sagte Bux.
Nur um die Weihnachtstage habe es mit vier bis fünf Anrufen täglich ein erhöhtes Aufkommen gegeben, berichtete sie. Das könne aber auch damit zusammengehangen haben, dass weniger andere Anlaufstellen in dieser Zeit für Hilfesuchende erreichbar gewesen seien.
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