Corona in Baden-Württemberg
Nichts wie raus: Was der Lockdown für den Wald bedeutet

Corona in Baden-Württemberg Nichts wie raus: Was der Lockdown für den Wald bedeutet

Quelle: Philipp von Ditfurth

Im Wald da sind die Räuber – oder jedenfalls Spaziergänger, Jogger, Rad- und Mountainbikefahrer. Ihre Zahl hat sich im Zuge des Corona-Lockdown rasant erhöht. Die Flucht nach draußen ist schön für die Menschen. Und für die Natur?

Wald, Waldwege und auch Tiere leiden unter dem massiv gestiegenen Ansturm von Menschen, die im Zuge des Corona-Lockdown ihr Heil an der frischen Luft suchen. Vor allem der Mountainbike-Sport habe sehr viel Zulauf erfahren, sagte der Wald-Referent des BUND Baden-Württemberg, Christoph Schramm. Dadurch seien neue illegale Trails in den Wäldern im Südwesten entstanden. Diese seien ein besonderes Problem, weil bei der Anlage in der Regel keine Rücksicht auf Schutzgebiete und Lebensräume genommen werde, sagte Schramm weiter. «Als Folge wird die Natur weiter zerschnitten und Ruhezonen von Tieren gestört.»

Müll rund um Parkplätze oder Ruhebänke macht Umweltschützern ebenfalls Sorgen. Eigentlich sei der Andrang der Besucher ein schönes Zeichen, sagte Schramm. «Allerdings quillen durch Einwegmasken und To-go-Verpackungen wegen geschlossener Restaurants die Mülleimer in Parks und Naherholungsgebieten über, viel Müll liegt auch einfach so in der Natur.»

«Die Dosis macht es», sagte Joachim Schweizer, Sprecher von ForstBW, dem größten Forstbetriebs des Landes. Mit Sicherheit gebe es nun einen höhren Aufwand etwa dafür, Müll zu beseitigen. Außerdem: «Wir merken eine massive Zunahme des Mountainbikefahrens. Der Zuwachs und die Frequenz ist im vergangenen Jahr extrem gestiegen», berichtet er. Illegale Trails schadeten dem Wald, der Ruhezonen brauche und dessen Boden durch Mountainbike-Reifen stark verdichtet werde. «Der Waldboden ist ein sehr, sehr kostbares Gut.»

Die für den Staatswald zuständige Behörde ForstBW bewirtschaftet etwa ein Viertel der Waldfläche des Landes. Das entspricht rund 324 000 Hektar. In jedem der 210 Forstreviere des Staatswaldes gebe es illegal betriebene Trails. «Das ist alles nicht neu. Aber dass das Problem so massiv auftritt, das ist neu», sagte Schweizer.

«Mountainbikes sind schnell und lautlos, so dass kleinere Tiere wie Amphibien, Käfer, aber auch Reptilien, die sich auf den Wegen sonnen, nicht rechtzeitig flüchten können und überfahren werden», ergänzt Biologin Felicitas Rechtenwald vom Naturschutzbund Nabu. «Auch störungsempfindliche Vögel wie der Wendehals geben nachweislich ihre Bruten in der Nähe von stark befahrenen illegalen Trails auf.»

Auch sonst können mehr Besucher im Wald ein großes Ärgernis sein: «Das Betreten in den Abendstunden und zu Nachtzeiten, teilweise mit Hunden und Stirnlampen, verunsichert das Wild», sagt eine Sprecherin der Stadt Bretten.

Das Landwirtschaftsministerium spricht zwar von einem «deutlichen Anstieg des Besucheraufkommens im Wald seit Beginn der Coronapandemie». Informationen über mehr Müllablagerungen oder zunehmend illegale Mountainbike-Strecken lägen dem Ministerium aber nicht vor. Es gebe im Land mit seinen 1,4 Millionen Hektar Wald und den rund 85 000 Kilometern an Waldwegen genug Platz für alle Waldfans und deren Freizeitansprüche. Aber: Die Corona-Situation bringe dennoch Veränderungen und einen «verstärkten Freizeitdruck» mit sich.

Aus Sicht von Förster Johannes von Stemm, Geschäftsführer im Landesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, hingegen hat sich das Problem mit den Mountainbike-Trails potenziert. Zahlen dazu würden aber nicht erhoben.

Zum einen gebe es durch den enormen Rad- und Mountainbikeboom nicht nur viel mehr Fahrer, sondern auch der Anteil von E-Mountainbikes habe zugenommen – und damit der Anteil Älterer. «Die fahren zwar nicht über Sprungschanzen, aber oft zu Dämmerungszeiten abends», sagte er. Auch das sei nicht optimal für licht- und lärmscheue Tiere, die abends ihre Ruhe brauchten.

Mountainbiker allerdings wollen schon lange nicht mehr der Buhmann der Wälder sein. «Wir suchen den Dialog mit allen Erholungssuchenden in der Natur sowie mit den Forstbehörden und anderen Fachverwaltungen», heißt es in einem Positionspapier der Mountainbike-Gruppe der Sektion Schwaben im Deutschen Alpenverein (DAV). Fußgänger und Radfahrer müssten sich mit «Respekt, Toleranz und Rücksichtnahme» begegnen. Legale Trails seien auch wichtig im Interesse der Wanderer – «gerade da, wo es eng wird», ergänzte eine Sprecherin des Schwäbischen Albvereins.

Wichtig sei zudem, im Gespräch zu bleiben mit den Bikern und zu versuchen, verschiedenen Interessen ins Gleichgewicht zu bringen, betont auch von Stemm. «Das ist aufwendig. Ich kann zum Beispiel die Jugendlichen sehr gut verstehen. Aber ihnen auch bewusst zu machen, dass der Wald mehr als eine Vergnügungskulisse ist, ist schwer.»

 

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