News aus Baden-Württemberg
Mit Kleber gegen Klimakollaps: Polizeigewahrsam gefordert

News aus Baden-Württemberg Mit Kleber gegen Klimakollaps: Polizeigewahrsam gefordert

Quelle: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB/Symbolbild
dpa

Verschandelte Kunstwerke, blockierte Straßen: Nicht nur das Klima steht vor dem Kollaps, auch die Nerven mancher Autofahrer liegen blank angesichts radikaler Klimaproteste. Die Polizeigewerkschaft im Südwesten fordert einen harten Umgang mit den Aktivisten.

Am Montagmorgen haben sie in Ulm zugeschlagen: Um kurz vor 9.00 Uhr, mitten im Berufsverkehr, stürmen junge Aktivisten in orangefarbenen Warnwesten auf eine der wichtigsten Kreuzungen der Innenstadt, beim städtischen Theater. Sie setzen sich vor die Autos, die an der Ampel warten, halten ihre Transparente direkt vor die Motorhauben. «Was, wenn die Regierung das nicht im Griff hat?», steht etwa darauf.

Die Aktivisten fordern das 9-Euro-Ticket und ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde. Ein Aktivist klebt seine linke Hand am Asphalt fest. Schnell bildet sich in der Ulmer Innenstadt ein Stau und ein wütendes Hupkonzert. Autofahrer steigen aus, schreien die Aktivisten an, dass sie doch zur Arbeit müssten. Die Nerven liegen mal wieder blank.

Je radikaler der Protest der Klimaaktivisten wird, desto radikaler wird auch der Ruf nach Gegenmaßnahmen, um dem Protest Einhalt zu gebieten. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in Baden-Württemberg fordert nun ein Polizeigewahrsam wie in Bayern im Kampf gegen die Klimaprotestler. Wer sich in Baden-Württemberg mit Ansage auf die Straße kleben und den Verkehr blockieren will, sollte auch ohne Prozess für eine gewisse Zeit ins Gefängnis gesperrt werden, findet Gewerkschaftschef Ralf Kusterer.

«Ich glaube das ist ein gutes Instrument, um Straftaten abzuwehren», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Wenn die Politik das im Südwesten einführen würde, hätte sie die DPolG an ihrer Seite. Ohne die Möglichkeit des präventiven Gewahrsams seien der Polizei im Umgang mit den Aktivisten ein Stück weit die Hände gebunden, dann müsse man erst immer warten, bis etwas passiere, so Kusterer. Er hält eine solche Maßnahme im Kampf gegen Klimaaktivisten für verhältnismäßig.

Nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz können Bürger auf Grundlage einer richterlichen Entscheidung bis zu einen Monat lang festgehalten werden, um die Begehung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder eine Straftat zu verhindern. Dieser Zeitraum kann um maximal einen weiteren Monat verlängert werden. In Bayern waren zuletzt 19 Klimaaktivisten inhaftiert. Sie wurden am Wochenende aus dem Polizeigewahrsam entlassen.

Applaus für seine Forderung erhält Kusterer von der AfD. «Sachbeschädigung und Nötigung sind keine tolerierbaren Mittel für Protest», sagte der sicherheitspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Hans-Jürgen Goßner, am Montag. Den Begriff der Aktivisten nannte Goßner verniedlichend: «Was hier passiert, ist «Terror light».»

Die «Letzte Generation» sorgt mit ihren Blockadeaktionen oder durch Attacken auf Kunstwerke derzeit oft für Schlagzeilen. Die Aktivisten wollen damit auf die Zerstörung der Umwelt und den Klimawandel aufmerksam machen. Kusterer verurteilte die Proteste. «Das sind überwiegend Straftaten, die dort geschehen», sagte er. «Wer andere Menschen in der Bewegungsfreiheit einschränke, hat keine Sympathie von mir.» In seiner Wirkung sei das kein friedlicher Protest. Kusterer rechnet aber auch mit Blick auf den Winter mit einem eher vorübergehenden Phänomen. «Auch wenn man dicke Unterhosen anzieht – irgendwann wird es ungemütlich auf der Straße.»

Auch die andere Polizeigewerkschaft im Land, die Gewerkschaft der Polizei (GdP), sieht die Proteste sehr kritisch. «Wir verurteilen diese Aktionen aufs Schärfste», sagte GdP-Landeschef Gundram Lottmann. Er habe zwar Verständnis für die Intention. Aber es könne nicht sein, dass Straftaten verübt und die Infrastruktur blockiert würden. «Unsere Infrastruktur stellt schlichtweg das Herzstück unser Wirtschaft und Industrie dar.» Auch habe er Verständnis, wenn betroffene Bürger aggressiv auf die Aktivisten reagieren würden. «Wenn man radikalen Protest an den Tag legt, muss man sich nicht wundern, wenn die Bürger entsprechend darauf reagieren», sagte Lottmann. Die Polizei müsse beide Seiten schützen und stehe zwischen den Stühlen.

Das Polizeigewahrsam hält Lottmann aber nur für das letzte Mittel im Vorgehen gegen die Aktivisten. Es gebe durchaus radikale Personen, die für jegliche Argumente nicht mehr zugänglich seien, sagte er. Aber vorher müssten alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Er sieht noch andere Probleme im Zusammenhang mit einem Polizeigewahrsam wie in Bayern: «Wir hätten gar nicht die Gewahrsamseinrichtungen und schon gar nicht das Personal», sagte er. «Wir könnten das nicht umsetzen.»

Die Grünen im Land lehnen eine Präventivhaft für Klimaaktivisten grundsätzlich ab. «Auf gewaltfreie Proteste mit Unterbindungshaft zu antworten ist für die Demokratie brandgefährlich», sagten die Landessprecherinnen der Grünen Jugend, Elly Reich und Aya Krkoutli. Die Landesvorsitzende der Grünen, Lena Schwelling, kritisierte: «Dass sich nun selbst die Polizeigewerkschaften über die Frage der Präventivhaft bei Klimaaktivist*innen nicht einig sind, bestätigt uns darin, dass diese Maßnahme nicht der richtige Weg ist.»

Aktivistin Solvig Schinköthe, die selbst bereits im Gefängnis saß aufgrund von Blockadeaktionen, zeigte sich empört über das Ansinnen der Deutschen Polizeigewerkschaft: «Die Regierung kann sich jederzeit dafür entscheiden, sich für unser aller Leben einzusetzen, statt uns, die Boten der schlechten Nachricht, einzusperren», sagte sie der dpa. «Längere Präventivhaft wird uns nicht davon abhalten gegen das tödliche Weiter-so der Bundesregierung zu protestieren.»

Das verschärfte Polizeiaufgabengesetz in Bayern sollte vorgeblich die Gesellschaft vor islamistischem Terror schützen, kritisiert Schinköthe. «Jetzt wird dieses Gesetz missbraucht, um friedliche Klimaaktivisten einzusperren. Auch in Baden-Württemberg werden wir weiter friedlich und entschlossen auf die Straße gehen, um zu bewahren, was uns allen lieb und teuer ist.»

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