News aus Baden-Württemberg Wende für Baden-Württemberg: Wie der Krieg das Land ändert
Auch wenn Schüsse und Bomben weit weg sind – der Krieg in der Ukraine wird immer stärker im Südwesten spürbar, in den Schulen, in den Firmen, im Alltag der Menschen. Regierungschef Kretschmann stellt die Bürger auf eine Zeitenwende auch für Baden-Württemberg ein.
Zwischen Stuttgart und Kiew liegen Luftlinie gut 1500 Kilometer. Das erlaubt den Bürgern im Südwesten, das grausame Kriegsgeschehen von der heimischen Couch aus zu verfolgen. Doch das Leben könnte auch hierzulande ungemütlicher werden. Der Krieg wird das Land und das Leben seiner Menschen verändern – und zwar auch noch dann, wenn der Krieg längst vorbei ist. Da ist sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ganz sicher. Er stellte die Bürger in seiner Regierungserklärung am Mittwoch im Landtag auf dramatische Wohlstandsverluste und tiefe Einschnitte ein. Seine Kernbotschaft: Nichts wird wieder so sein, wie es war.
BILDUNG – Bislang hat Baden-Württemberg knapp 6000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine an den Schulen aufgenommen. Das Land will für ukrainische Kinder nun noch mehr spezielle Vorbereitungsklassen schaffen. Derzeit gibt es mehr als 2000 Vorbereitungsklassen an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen im Südwesten. «Diese wollen wir und werden wir weiter aufstocken – um den Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine so gut wie möglich gerecht zu werden», sagte Kretschmann. In diesen Klassen sollen die Kinder erstmal Deutsch lernen, um danach in Regelklassen zu wechseln.
Das Kultusministerium sucht derzeit mit einer eigens eingerichteten zentralen Plattform Lehrkräfte, Pensionäre, Studierende, Erzieherinnen, Dolmetscher – aber auch ukrainische Lehrerinnen und Lehrer, um die Kinder in ukrainischer Sprache zu unterrichten. Es hätten sich schon über 600 Freiwillige gemeldet, die sich einbringen wollen, so Kretschmann. Da viele Kinder vom Krieg traumatisiert seien, wolle das Land zudem die Zahl der Schulpsychologen aufstocken. Auch Studenten und Wissenschaftler aus der Ukraine werden unterstützt – etwa durch einen Erlass der Studiengebühren oder einen Überbrückungsfonds für Hochschulen.
WOHNUNGEN – Schon mehr als 50.000 Flüchtlinge aus der Ukraine haben sich in Baden-Württemberg registrieren lassen. Laut Kretschmann könnten es noch viel mehr werden, sogar mehr als in der letzten Flüchtlingskrise. Weil die alle eine Bleibe brauchen, will das Land das damals initiierte Programm «Wohnraum für Geflüchtete» neu auflegen – sofern die Einigung mit dem Bund über die Verteilung der Flüchtlingskosten die notwendigen finanziellen Spielräume lasse, sagte Kretschmann. Das Programm unterstützt die Kommunen beim schnellen Bau von Flüchtlingsunterkünften mit Zuschüssen.
Von Januar 2015 bis zur Einstellung des Programms im März 2017 wurden laut Wohnungsbauministerium von den Kommunen rund 112 Millionen Euro an Investitionshilfen abgerufen. Für rund 14.000 Flüchtlinge konnten mit dieser Unterstützung 2571 Wohnungen, 237 Wohngruppen und 103 Gemeinschaftsunterkünfte geschaffen werden. Neben der Neuauflage des Programms wolle man baurechtliche Verfahren beschleunigen und die administrativen Hürden beim Bau von Flüchtlingsunterkünften senken, sagte Kretschmann. Mittel- und langfristig müssten zudem mehr Sozialwohnungen gebaut werden.
INTEGRATION – Das Integrationsmanagement des Landes wurde auf die Geflüchteten aus der Ukraine ausgeweitet. Heißt: Die rund 1200 Integrationsmanager in den Städten und Gemeinden helfen nun den Ukrainern, sich vor Ort und im Alltag zurechtzufinden. Das Sozialministerium finanziert zudem gezielt Sprachkurse. Und: Die psychosozialen Zentren seien auf die Geflüchteten aus der Ukraine vorbereitet, von denen viele traumatisiert seien, sagte Kretschmann. Es würden bereits Traumahelfer gewonnen, Dolmetscher gesucht und erste Gruppentherapien angeboten.
HEIMISCHE WIRTSCHAFT – Gerade Schlüsselbranchen wie die Automobilwirtschaft und der Maschinenbau litten unter den «umfangreichsten, schnellsten und härtesten Wirtschaftssanktionen der Nachkriegsgeschichte», sagte der Regierungschef. Dennoch seien die Sanktionen gegen Russland richtig. Er warb dafür, dass Unternehmen Strukturen im Land nutzen könnten, etwa Darlehen aus der Gründungs- und Wachstumsfinanzierung Baden-Württemberg, Liquiditätskredite oder das Bürgschaftsangebot von Bürgerschaftsbank und L-Bank.
Kretschmann sieht aber auch Chancen für den baden-württembergischen Arbeitsmarkt. Die Geflüchteten seien nach ersten Schätzungen überdurchschnittlich gut qualifiziert – und viele Branchen suchten händeringend nach Fachkräften. «Besonders gute Möglichkeiten bestehen in Gastronomie, Pflege, Handwerk und Industrie, genauso wie in Mangelberufen wie Ingenieure, IT-Experten, Erzieher, Ärzte oder Lehrer», betonte er.
SICHERHEIT – Der Krieg habe sich bisher nicht auf die öffentliche Sicherheit in Baden-Württemberg ausgewirkt, sagte Kretschmann. Er warnte aber vor zunehmenden Cyberattacken auf das Land. Russland führe seinen Krieg auch über das Internet. «Vor allem kritische Infrastrukturen wie etwa Strom-, Wasser- oder Gesundheitsversorgung sind hier im Visier», sagte er. «Aber auch Lieferketten, Hochleistungsrechner, Staat und Unternehmen können zum Ziel werden.» Das Land sei aber gut aufgestellt im Kampf gegen Cyberkriminalität.
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