Bundesagentur für Arbeit 270.286 Menschen ohne Job – Arbeitslosigkeit stark gestiegen
Der Konjunktur ging ohnehin schon die Puste aus, die Corona-Krise würgt sie nun in vielen Branchen komplett ab. Das hinterlässt tiefe Spuren auf dem Arbeitsmarkt.
Die Corona-Krise hat die Zahl der Arbeitslosen im Südwesten weiter nach oben schnellen lassen. Vor allem im Gastgewerbe brachen im Mai erneut im großen Stil Stellen weg, aber auch in der Zeitarbeitsbranche sowie im Handel. Ein Ende der dramatischen Entwicklung ist nicht in Sicht.
«Wir haben im Moment noch nicht den Zenit erreicht», sagte am Mittwoch der Chef der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, Christian Rauch. Er rechnet damit, dass die Marke von 300.000 Arbeitslosen schon bald überschritten wird.
Zum Stichtag Mitte Mai waren 270.286 Menschen ohne Job. Das waren 8 Prozent mehr als im Vormonat und sogar gut 41 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Quote stieg auf 4,3 Prozent – ganz untypisch für die Jahreszeit.
«Ursache sind die Auswirkungen der Corona-Krise, die eine bereits vorher gedämpfte Konjunkturentwicklung um ein Vielfaches verstärkt haben», erklärte Rauch. Auch Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sieht den Arbeitsmarkt mit voller Wucht von der Krise getroffen. Das Kurzarbeitergeld bewähre sich aber weiter als wichtiges Instrument zur Sicherung von Arbeitsplätzen. «Ich appelliere an alle Arbeitgeber, gerade auch den jungen Menschen in dieser schwierigen Zeit eine Chance zu geben», sagte sie.
Mehr als 115.000 Betriebe in Baden-Württemberg haben seit dem Ausbruch der Corona-Krise im März Kurzarbeit für inzwischen gut 1,9 Millionen Beschäftigte angezeigt. Wie viele davon tatsächlich in Kurzarbeit sind oder waren, geht aus den Zahlen nicht hervor. Rauch geht davon aus, dass von der angezeigten Kurzarbeit am Ende etwa 60 bis 70 Prozent tatsächlich umgesetzt werden.
Rund 21 000 Betriebe allein aus dem Bereich Autohandel und -reparatur haben laut Arbeitsagentur Kurzarbeit angezeigt, so viele wie in keiner anderen Branche. Geht man nach der Zahl der Beschäftigten, liegt das verarbeitende Gewerbe mit mehr als 700.000 Betroffenen an der Spitze.
Dass die Lage trotz des heftigen Anstiegs der Arbeitslosenzahlen derzeit immer noch deutlich besser ist als in der Finanzkrise 2008/09, liegt Rauch zufolge daran, dass das Vor-Corona-Niveau so niedrig war. «Wir starten von einem historischen Tiefstand», sagte er. Im Mai 2009 hatte Baden-Württemberg eine Arbeitslosenquote von 5,2 Prozent.
Das Hauptaugenmerk richtet die Arbeitsagentur nun, da die Kurzarbeit gut laufe, auf das Thema Weiterbildung. «Die Transformation geht durch Corona nicht weg», sagte Rauch mit Blick auf den Wandel in der Industrie vor allem durch die Digitalisierung. Auch Hoffmeister-Kraut und DGB-Chef Martin Kunzmann warben dafür, die Krise zur Weiterbildung zu nutzen. «Ich appelliere an die Arbeitgeber, alles dafür zu tun, damit aus Kurzarbeit nicht Arbeitslosigkeit wird. Jetzt muss es darum gehen, Beschäftigung zu sichern», sagte Kunzmann.
Die Arbeitgeber mahnten die Politik, den Anstieg der Lohnnebenkosten zu stoppen, um Unternehmen nicht zusätzlich zu belasten. Zudem müsse es Kaufanreize wie eine Auto-Kaufprämie geben – nicht nur für Elektroantriebe. «Wir brauchen jetzt ein Konjunktur- und kein Strukturprogramm», sagte der Hauptgeschäftsführer von Südwestmetall, Peer-Michael Dick.