Biodiversitätforscher engagieren sich Artenschutz: KIT-Wissenschaftler sieht „dringenden Handlungsbedarf“
Der Zehnjahresplan für den Erhalt der biologischen Vielfalt hat seine Ziele zum Jahr 2020 verfehlt. Ein KIT-Wissenschaftler setzt sich deshalb für eine übergeordnete politische Vorgabe ein, um den Diskussionen zum Artenschutz mehr Kraft zu verleihen.
KIT-Wissenschaftler setzt sich gegen Artensterben ein
Der in der internationalen Biodiversitätskonvention beschlossene Zehnjahresplan für den Erhalt der biologischen Vielfalt hat seine Ziele zum Jahr 2020 verfehlt. Ein Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) setzt sich deshalb für eine übergeordnete politische Vorgabe ein, um den Diskussionen zum Artenschutz mehr Kraft zu verleihen, darüber berichtet das KIT in einer Pressemitteilung. Gemeinsam mit einer Gruppe von Experten anderer Forschungseinrichtungen wird sich nun dafür engagiert, das Artensterben auf 20 verschwundene Spezies pro Jahr zu begrenzen.
Mark Rounsevell: „dringender Handlungsbedarf“
Das Zwei-Grad-Ziel des Übereinkommens von Paris dient der Klimapolitik als Fokus für notwendige Maßnahmen, um den Klimawandel aufzuhalten – doch auch für den Artenschutz besteht dringender Handlungsbedarf, so das KIT weiter. „Die Menschheit ist von der Biodiversität abhängig“, sagt Professor Mark Rounsevell, Leiter der Forschungsgruppe Landnutzungsänderung und Klima am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung des KIT.
„Ohne die Dienstleistungen unserer Ökosysteme, wie etwa das Bestäuben von Nutzpflanzen durch verschiedene Insekten, fehlt uns die Lebensgrundlage. Die Politik braucht daher ein klares Ziel, um die biologische Vielfalt zu erhalten.“ Die Forderung, das Aussterben von Spezies langfristig auf 20 pro Jahr zu begrenzen, ist laut Rounsevell und einer Forscher-Gruppe ein sowohl leicht zu vermittelndes als auch messbares Ziel.
Ziel: Neuverhandlungen über die biologische Vielfalt
Die Wissenschaftler wollen es schaffen, dass diese Vorgabe in die im Jahr 2021 stattfindenden Neuverhandlungen zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt aufgenommen wird. Die zuletzt von den Vertragsstaaten des Biodiversitätsabkommens beschlossenen sogenannten „Aichi-Ziele“ enthielten 20 Kernziele – auch zum weltweiten Schutz von Ökosystemen und zur Förderung von Nachhaltigkeit.
Die Idee von Rounsevell und der weiteren Experten basiert unter anderem auf Studien zur Belastungsgrenze des Planeten. Neben der Versauerung der Meere, der Luftverschmutzung oder dem Verbrauch von Süßwasser ist der Verlust von Biodiversität ein wesentlicher Parameter, welcher die Stabilität der weltweiten Ökosysteme unwiderruflich gefährden könnte. Beim Überschreiten eines bestimmten Schwellenwerts rechnen Forschende mit langfristigen negativen Folgen für die Umwelt, berichtet das KIT.
Um dies zu stoppen, sollte der Artenschwund aktuellen Erkenntnissen zufolge nicht mehr als das Zehnfache seines natürlichen Werts betragen: „Bei momentan rund zwei Millionen beschriebenen Spezies sind das rund 20 aussterbende Arten pro Jahr“, erklärt Rounsevell. „Dabei schließen wir alle Pilz-, Pflanzen-, wirbellose sowie Wirbeltierarten mit ein, welche an Land, in Süß- oder in Salzwasserhabitaten leben.“
Notwendige Maßnahmen verbessern Gesamtzustand
Da die Geschwindigkeit des Artenschwunds immer mehr zunimmt, wären umfangreiche umweltpolitische Maßnahmen nötig, um das Ziel der Biodiversitätsforscher umzusetzen. Damit würde sich die Vorgabe auch insgesamt positiv auf den Zustand der Ökosysteme auswirken. Analog dazu funktioniert das Zwei-Grad-Ziel im Klimaschutz, so die Forscher.
Denn obwohl die Temperatur nur einer von vielen Faktoren des komplexen Klimasystems ist, verbessern die für das Erreichen des Ziels notwendigen Maßnahmen den Klimaschutz insgesamt. Ein kleiner Temperaturanstieg wirkt sich indirekt so auch auf den Anstieg des Meeresspiegels oder das Auftreten von Wetterextremen wie Stürmen oder starken Regenfällen aus.
„Jedes Land muss selbst Verantwortung übernehmen“
Als Handlungsoptionen schlagen Rounsevell und die Forschungsgruppe auf Grundlage der Empfehlungen des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) beispielsweise vor, Naturschutzgebiete zu vergrößern, den Artenschutz vermehrt finanziell zu fördern, Öko-Labels weiterzuentwickeln oder auch den Handel mit Wildtieren strafrechtlich konsequent zu verfolgen.
Da Biodiversität auf regionaler Ebene verschiedene Formen annimmt, ist es nach Rounsevell notwendig, politische Maßnahmen auf lokale und regionale Gegebenheiten anzupassen. „Jedes Land muss einen eigenen Maßnahmenkatalog ausarbeiten und damit selbst Verantwortung übernehmen, um das Ziel zu erreichen“, sagt der Umweltforscher.
Ob der neue Ansatz für den Artenschutz erfolgreich ist, solle kontinuierlich überprüft werden: „Um festzustellen, wie sich die Geschwindigkeit des Artensterbens entwickelt, sind umfangreiche Monitoringprojekte notwendig“, weiß Rounsevell. Doch sind die Anstrengungen zum Schutz der Biodiversität erfolgreich, könne der Grenzwert für die Zahl pro Jahr verschwundener Spezies später weiter nach unten korrigiert werden.