Natur in Karlsruhe Biber in Karlsruhe: Rückkehr, Schutz, Natur & Biberbeauftragte
Über 150 Jahren nach seiner Ausrottung hat sich der geschützte Biber an Flüssen und Bächen in Karlsruhe neue Lebensräume geschaffen. Doch das führt manchmal zu Konflikten, wie Beate Müller-Haug im Interview des Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt.
Biberbeauftragte im Regierungsbezirk Karlsruhe
Im Regierungsbezirk Karlsruhe kann seit dem Jahr 2010 das Vorkommen des Bibers beobachtet werden. Im gleichen Jahr wurde daher auch die Stelle einer Biberbeauftragten geschaffen. Seit 2015 haben die Landkreise ehrenamtliche Biberbeauftragte engagiert. Derzeit sind im Regierungsbezirk 15 Biberbeauftragte unterwegs. Die meisten Beratungen finden im Herbst und Winter statt.
Doch wozu braucht man eigentlich Biberbeauftragte?
Diese Frage beantwortet Beate Müller-Haug, die im Naturschutzreferat im Regierungspräsidium Karlsruhe das Biber-Management für den gesamten Regierungsbezirk Karlsruhe koordiniert. Mehr als 150 Jahren nach seiner Ausrottung ist der Biber selbständig nach Baden-Württemberg zurückgekehrt. Die streng geschützte Tierart hat sich an zahlreichen Flüssen und Bächen neue Lebensräume geschaffen und erregt Aufmerksamkeit – nicht immer ohne Konflikte, wie Beate Müller-Haug im Interview des Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt.
Warum setzen Sie sich für den Schutz des Bibers ein und wozu braucht es ein Biber-Management und Biberbeauftragte?
Beate Müller-Haug: Der Biber ist ein überaus faszinierendes Tier. Es gibt kein anderes Tier in Deutschland, das so konsequent durch seine rastlose Bautätigkeit die Landschaft nach seinen eigenen Vorstellungen gestaltet, ständig optimiert und anpasst, wie der Biber. Eindrucksvoll sind die stattlichen Biberburgen, die kunstvoll errichteten Dämme stauen das Wasser schließlich so auf, dass die Eingänge der Wohnbauten des Bibers stets unter Wasser liegen und er diese gefahrenfrei erreichen kann.
Das sind vorausschauende, in die Zukunft gerichtete Handlungen und Fähigkeiten, die normalerweise nur dem Menschen zugeschrieben werden. Aber gerade seine Gestaltungskraft birgt auch ein Konfliktpotential mit dem Menschen: Das Nagetier fällt Nutzholz, untergräbt Dämme und flussnahe Äcker, staut Entwässerungsgräben und frisst Feldfrüchte.
Dies sorgt verständlicherweise auch für Ärger und Unmut bei den betroffenen Landwirten in unserem Regierungsbezirk. Deswegen werden mit einem aktiven Biber Management und eigens geschulten Biberbeauftragten dort, wo Probleme auftreten, Lösungen entwickelt, die ein Zusammenleben von Mensch und Biber unterstützen.
Vorteile der Biber-Rückkehr für die Karlsruher Natur
Der Naturschutz preist die vielen positiven Effekte für die Natur durch die Rückkehr des Bibers an – welche sind das?
Beate Müller-Haug: Wo der Biber am Werk ist, entsteht mehr Dynamik an den Gewässern. Er schafft unterschiedliche Strömungsverhältnisse, staut, sorgt für tiefere und flachere Gewässerabschnitte, erhöht den Grundwasserpegel oder schafft „Unordnung“, zum Beispiel durch einen im Gewässer liegenden Baum. Er schafft damit eine große Vielfalt unterschiedlicher Lebensräume auf kleinem Raum.
Hier können sich viele andere Tier- und Pflanzenarten ansiedeln, die Artenvielfalt erhöht sich und die natürlichen Kreisläufe werden stabiler. Positive Effekte für die Natur bedeuten natürlich auch positive Effekte für uns Menschen. Biber tragen dazu bei, frühere Fehler der Menschen beim Umgang mit der Landschaft teilweise zu korrigieren – und das ganz umsonst! In den letzten Jahren wurden die Flüsse begradigt, verbaut und großflächige Entwässerungen vorgenommen, dies wirkt sich langfristig ungünstig auf Ökologie, Wasserhaushalt und das Trinkwasser, eine der wichtigsten Ressource des Menschen aus.
Gerade von den vergangenen trockenen Sommern wissen wir den Wert von Wasser zu schätzen. Biber helfen, das Gewässer vielfältiger zu gestalten, das Wasser in der Landschaft zu halten und damit das Grundwasser zu sichern beziehungsweise Hochwasserereignisse abzupuffern.
Landwirte und Anwohner von Gewässer sehen das nicht so positiv, warum?
Beate Müller-Haug: Ja, denn Biber halten sich nicht an unsere menschliche Ordnung – und natürlich auch nicht an unsere Besitzgrenzen! In der Regel nutzen Biber einen Uferstreifen von 10 bis 20 Metern entlang der Gewässer. Schäden sind fast ausschließlich auf Orte beschränkt, wo Menschen sehr nahe am Wasser wirtschaften und bauen.
Reicht zum Beispiel die landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Bewirtschaftung dicht ans Gewässer, bleiben dem Biber keine Bäume, Sträucher und Kräuter als Nahrung und er weicht eben auf Feldfrüchte wie Mais und Rüben aus. Biber errichten Biberdämme, um ihren Lebensraum zu verbessern und das Wasser zu halten, dabei kann es zu Überschwemmungen landwirtschaftlicher Nutzflächen kommen oder durch unterhöhlte Uferbereiche können landwirtschaftliche Maschinen in die Bibergänge einbrechen. Auch angenagte und noch nicht gefallene Bäume können eine Verkehrsgefährdung darstellen.
Unterschiedlichen Interessen von Mensch und Biber
Wie können diese „unterschiedlichen Interessen“ von Mensch und Biber miteinander vereinbart werden?
Beate Müller-Haug: Unser Biber-Management hat das Ziel, dass Konflikte möglichst erst gar nicht entstehen. Das Land Baden-Württemberg fördert Präventionsmaßnahmen, insbesondere Material zum Schutz gegen Verbiss (z.B. Drahthosen für Bäume), Elektrozäune gegen Fraß von Feldfrüchten oder Material für Dammdrainagen zur Verhinderung von Überstauungen.
Weiterhin gibt es ein Netzwerk mit Ansprechpartnern, die bei Problemen mit dem Biber beratend tätig sind. Ein wichtiger Baustein im landesweiten Bibermanagement sind unsere ehrenamtlichen Biberberater, die auf der Ebene der Land- und Stadtkreise im Auftrag und in Zusammenarbeit mit den unteren Naturschutzbehörden biberbedingte Konflikte vermeiden helfen.
Sie werden vom Landratsamt urkundlich bestellt und durch das Regierungspräsidium geschult und qualifiziert. Gemeinsam mit den Landratsämtern setzen sie die bundes– und europaweit geltenden rechtlichen Vorgaben auf Kreisebene um. Das Regierungspräsidium koordiniert das Bibermanagement auf Regierungsbezirksebene und ist zuständig für naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen.
Wie muss man sich das Bibermanagement durch die ehrenamtlichen Biberberater auf Kreisebene vorstellen?
Beate Müller-Haug: Das Bibermanagement betrachtet jeden Einzelfall. Mit ihrer Fachkompetenz sind die Biberberater erste Ansprechpartner vor Ort und bieten unbürokratische, fachkompetente und praxisorientiere Beratung an. Gemeinsam mit den Betroffenen erarbeiten sie Lösungsmöglichkeiten und beziehen – falls notwendig – den Biberberater des Regierungspräsidiums mit ein.
Sie setzen sehr viel Zeit und Energie daran, die Konflikte zwischen Mensch und Biber zu befrieden. Es ist wichtig, dass sich die Betroffenen nicht scheuen, die Biberberater vor Ort zu kontaktieren, damit Probleme schnell gelöst werden können.
Gibt es aktuell Probleme?
Beate Müller-Haug: In letzter Zeit wurden Biberberater häufig persönlich angefeindet und waren öffentlichen Verleumdungen und Belästigungen ausgesetzt. Das hat mich sehr irritiert, denn auch wenn die ehrenamtlichen Biberberater nicht immer allen Wünschen gerecht werden können, sollte ihnen doch Wertschätzung und Anerkennung für ihre geleistete Arbeit zum Wohle der Bevölkerung entgegengebracht werden. Sie sind eine wichtige Säule im landesweiten Bibermanagement und setzen einfach die rechtlichen Vorgaben um.
Rechte & Pflichten von ehrenamtlichen Biberberater
Welche Rechte und Pflichten haben die ehrenamtlichen Biberberater, wie sehen die rechtlichen Vorgaben im Bibermanagement aus?
Beate Müller-Haug: Die ehrenamtlichen Biberberater stehen unter der Aufsicht der Bestellbehörde, also dem Landratsamt, ihre Aufgaben umfassen einerseits die Information der Menschen vor Ort über die naturschutzrechtlichen Schutzbestimmungen und andererseits die Information des Landratsamts über nachteilige Veränderungen in Natur und Landschaft, damit dieses auf die Beseitigung hinwirken kann. Sie erfassen und melden neue Biberaktivitäten und dort auftretende Veränderungen und arbeiten eng mit dem Landratsamt und dem Regierungspräsidium zusammen.
Mit ihrer spezifischen Qualifikation als Biberberater wurden ihnen besondere Aufgaben des Artenschutzes übertragen. Sie sind unter anderem berechtigt, Personen, die einer Rechtsverletzung verdächtig sind, zur Feststellung der Personalien anzuhalten. Denn nach geltendem Recht ist es verboten dem Biber nachzustellen, ihn zu fangen, zu verletzen, zu töten, ihn erheblich zu stören oder seine Wohnstätten zu beschädigen oder zu zerstören. Hierzu zählen auch die Zerstörung der Biberdämme, die eine Schutzfunktion für den Biberbau haben können. Verbotsverstöße können mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden.
Was wünschen Sie dem Biber für die Zukunft?
Beate Müller-Haug: Der Biber erfährt in Deutschland den strengsten Schutz den es gibt. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass der allgemeine Artenschutz nicht nur als Aufgabe der Landesregierung, sondern als gemeinschaftliche Aufgabe aller Bürgerinnen und Bürger, den Kommunen und Landkreisen angesehen wird.
Dass wir als Gesellschaft die Herausforderung mit dem Biber annehmen, das heißt, dass den Gewässern und damit auch dem Biber der nötige Raum als Lebensgrundlage zur Verfügung steht. Davon profitiert dann nicht nur die Natur, sondern auch der Mensch!
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