Corona in Baden-Württemberg
Hausärzte machen immer weniger Hausbesuche

Corona in Baden-Württemberg Hausärzte machen immer weniger Hausbesuche

Quelle: Monika Skolimowska

Das waren noch Zeiten, als der Hausarzt sich zweimal die Woche auf den Weg machte – raus aus der Praxis, hin zu den Patienten nach Hause, die bettlägerig, sehr krank oder einfach sehr bedürftig waren. Das ist vorbei. Aber es gibt Alternativen.

Hausarztmangel, geringe Entlohnung – und jetzt auch noch Corona: In Baden-Württemberg machen Ärzte zunehmend weniger Hausbesuche. Für den Südwesten spricht die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) von einem Rückgang der Hausbesuche von mehr als drei Millionen auf rund 2,8 Millionen zwischen 2017 und 2019. Zwar berücksichtigten diese Zahlen nicht die hausarztzentrierte Versorgung, bei der Hausbesuche in einer Pauschale inbegriffen sind, sagte ein Sprecher. Es gibt aber laut Hausärzteverband durchaus einen Schwund bei den Besuchen. Das hänge auch mit dem Mangel an niedergelassenen Hausärzten zusammen.

Diese beklagen vor allem das aus ihrer Sicht zu geringe Entgelt: Für einen Hausbesuch dürfen sie gut 23 Euro für 30 Minuten abrechnen plus Fahrtpauschale, erklärt ein in Karlsruhe niedergelassener Hausarzt, der namentlich nicht genannt werden will. Ein Aufwand, der sich so nicht rechne. «In der gleichen Zeit könnte ich mehrere Menschen in der Sprechstunde behandeln.» Er kennt nach eigenen Worten einige Kollegen, die Hausbesuche grundsätzlich nicht mehr machen wollen – «Patienten wandern deshalb zu uns ab».

Die KVBW wendet ein: «Sicherlich ist ein Hausbesuch für einen Arzt mit einem gewissen Aufwand verbunden. Wir könnten aber nicht sagen, dass die jungen Hausärzte weniger bereit sind, Hausbesuche zu absolvieren als die älteren», sagt der Sprecher. Grundsätzlich sei ein Arzt verpflichtet, notwendige Hausbesuche auch zu machen.

«Bei den Hausbesuchen steht der Aufwand in keinem Verhältnis zur Entlohnung», sagt der Sprecher des Hausärzteverbandes, Manfred King. Zudem seien die Praxen so voll, dass es die Zeit nicht mehr hergebe, zu den Menschen zu fahren. «Es liegt auf der Hand, dass immer weniger Hausärzte mit immer mehr Patienten das aus logistischen und Zeitgründen nicht mehr machen können», sagt er.

Der Rückgang von Hausbesuchen durch den Arzt ist auch bundesweit kein neues Phänomen. Laut Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung haben Ärzte im vergangenen Jahr 24,6 Millionen Hausbesuche absolviert, sechs Millionen weniger als im Jahr 2009.

Längst wird versucht, über andere Lösungen den Mangel an Hausbesuchen wettzumachen: So arbeiten in Baden-Württemberg inzwischen Tausende Medizinische Fachangestellte, die zu sogenannten Versorgungsassistenten in der Hausarztpraxis (Verah) oder Nicht-ärztlichen Praxisassistenten (Näpa) fortgebildet wurden.

Sie besuchen im Auftrag des Arztes Patienten, messen den Blutdruck oder setzen eine Spritze. Damit hätten die Patienten weiterhin einen zwischenmenschlichen Austausch und Betreuung durch vertrautes Praxispersonal, betont ein Sprecher der AOK Baden-Württemberg. Nach Angaben des Hausärzteverbands und der KVBW gibt es inzwischen über 3500 Verahs im Südwesten und rund 1300 Näpas. Letztere absolvierten 2018 immerhin schon über 65 500 Hausbesuche – 11,5 Prozent mehr als 2017.

Für den Hausarzt aus Karlsruhe geht es um Zuwendung und Kontrolle, er hält ärztliche Hausbesuche weiterhin für nötig – realistisch gesehen aber für ein Auslaufmodell. Das Geschehen habe sich gewandelt, bekräftigt auch der Sprecher der KVBW. Neben Näpas und Verahs werde auch immer bessere Technik weitere Möglichkeiten mit sich bringen, etwa Videosprechstunden.

So nutzen Arztpraxen in Baden-Württemberg immer häufiger digitale Angebote, heißt es im KVBW-Bericht «Die ambulante medizinische Versorgung 2020». Waren es im Februar 2020 nur neun Praxen in Baden-Württemberg, die eine Videosprechstunde abhielten, so nutzten im Juni 2020 bereits mehr als 3800 Praxen diese Möglichkeit der Patientenversorgung. Zwar können Online-Sprechstunden schon länger abgehalten und durchgeführt werden. «Jedoch hat erst die Corona-Pandemie zu einer breiten Akzeptanz bei Patienten und Ärzten beigetragen.»

 

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