News aus Baden-Württemberg Lkw-Fahrermangel: Tausende Arbeitslose sollen helfen
Fehlende Lkw-Fahrer haben in diesem Jahr in Großbritannien für leere Tankstellen und Supermarktregale gesorgt. Ganz so gravierend ist die Lage in Baden-Württemberg nach Einschätzung der Landesregierung nicht. Doch reichen ihre Gegenmaßnahmen aus?
Um den Mangel an Lastwagenfahrern zu mildern, lassen die Arbeitsagenturen und Jobcenter in Baden-Württemberg Jahr für Jahr mehr als 3000 Arbeitslose zu Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrern ausbilden. «Dazu gehört die vollständige Berufsausbildung, mögliche Teilqualifizierungen sowie Führerscheinerwerbe und (beschleunigte) Grundqualifikationen», heißt es in einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf einen Antrag der FDP im Landtag. Zudem gehe es etwa um Zusatzqualifikationen, zum Beispiel für den Transport von gefährlichen Gütern.
In Deutschland fehlen dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung zufolge 60.000 bis 80.000 Lkw-Fahrer. Jährlich wachse die Lücke um 15.000. Viele Fahrer entschieden sich für besser bezahlte Jobs in der Industrie, wo sich auch Beruf und Familie leichter vereinbaren ließen als im Fernfahrerjob. Auch eine sich verschärfende Verkehrssituation mit vielen Staus und Baustellen sowie der Mangel an Stellplätzen an Hauptverkehrsachsen machten den Beruf unattraktiv, heißt es in der Stellungnahme des Stuttgarter Wirtschaftsministeriums, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Ein Problem sei, dass es im Ausland keine entsprechende Berufskraftfahrerausbildung gebe und der Beruf nur selten im Rahmen einer geregelten und in Deutschland anerkennungsfähigen Ausbildung erlernt werde. Da die EU-Mitgliedstaaten ebenfalls Engpässe haben, ist man aus Menschen aus Ländern außerhalb der EU angewiesen. Dass Führerscheine nicht umgeschrieben werden könnte, erschwere hier das Anwerben von Berufskraftfahrern. Das trifft den Angaben zufolge auf Länder wie Kosovo, Albanien, die Ukraine und die Türkei zu.
Der Lkw-Führerschein müsse wie die Grundqualifikation in Deutschland oder in einem anderen europäischen Mitgliedstaat neu erworben werden. «Diese Qualifizierungsmöglichkeit wird jedoch von Arbeitgebern in Deutschland wenig genutzt, da das Misserfolgsrisiko aufgrund der notwendigen Sprachkenntnisse und der Kosten von regelmäßig über 5000 Euro für den Erwerb des Führerscheins und der Grundqualifikation möglicherweise als zu groß eingeschätzt wird», hieß es.
Zudem müssten Prüfungen hierzulande ausschließlich in deutscher Sprache abgelegt werden. «Diese sprachlichen Hürden sind teilweise nur schwer zu überwinden.» Immerhin: Im vergangenen Jahr wurden laut Ministerium in Baden-Württemberg 238 Fahrerbescheinigungen neu für Fahrerinnen und Fahrer aus sogenannten Drittstaaten ausgestellt. Zum 31. Dezember 2020 seien 468 Fahrerbescheinigungen im Umlauf gewesen.
Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Christian Jung, sagte, der Mangel an Fahrern sei keine abstrakte Gefahr. «Wenn die Logistik-Kette reißt, dann bleiben Kühlschrank, Werkbank und Fabrikhalle leer.» Der hohe Fachkraftstandard sei ein Hemmschuh erster Güte, weil es solche Ausbildungsberufe im Ausland oft nicht gibt. «Es braucht auch deutlich mehr Sprachförderung und generell sollte das Sprachniveau in den erforderlichen Zusatzqualifikationen und Prüfungen auf eine einfache Sprache umgestellt werden.» Womöglich könnte die Prüfung auch in anderen Sprachen abgelegt werden.
Zwar sei der Bund für die Rastanlagen zuständig, sagte Jung. «Ich fordere aber auch die Landesregierung auf, sich für die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen einzusetzen.» So könnte das Land aus seiner Sicht innovativ voranschreiten und zum Beispiel abseits der Autobahnen Übernacht-Stellplatzmöglichkeiten schaffen.
Die Landesregierung ist gerade am Thema Stellplätze dran und will neben einer ausreichenden Anzahl auch sicherstellen, dass diese sicher und zum Beispiel mit Möglichkeiten zur Versorgung mit Lebensmitteln oder zum Duschen ausgestattet sind. Ferner setzt sie etwa auf Verbesserungen im Straßengüterverkehr dank Digitalisierung, die etwa bei der Routenwahl helfen soll. Auch im Zuge der Ausbildungskampagne «gut-ausgebildet.de» bewerben eine Auszubildende und ein Auszubildender ihren Beruf «Berufskraftfahrer/in».
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