Corona in Baden-Württemberg
Mit Masken, Verboten und Spritzen gegen die Pandemie

Corona in Baden-Württemberg Mit Masken, Verboten und Spritzen gegen die Pandemie

Quelle: Patrick Seeger

Nicht nur in der Landeshauptstadt steigen die Infektionszahlen. Die Lage im Südwesten bleibt angespannt. Trotzdem stößt nicht jede Maßnahme gegen die Pandemie auf Verständnis.

Vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen kämpft das Land gegen eine zweite Corona-Welle. Stuttgart sowie der Kreis Esslingen liegen weiter über der kritischen Marke von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen. In der Landeshauptstadt treten deshalb an diesem Mittwoch strenge Regeln in Kraft. Im Landtag herrscht bald eine Maskenpflicht. In Erwartung eines zeitnah verfügbaren Impfstoffes will das Land zudem Spritzen und Kanülen für mehrere Millionen Euro beschaffen. Die grün-schwarze Landesregierung rechnet laut einer Kabinettsvorlage damit, bis Ende dieses Jahres einen Impfstoff zur Verfügung zu haben.

Aufgrund der weltweiten Nachfrage nach Impfbesteck könne nicht abgewartet werden, bis der Covid-19-Impfstoff auf dem Markt sei, heißt es in einer Kabinettsvorlage des Sozialministeriums, aus der «Heilbronner Stimme» und «Mannheimer Morgen» (Dienstag) berichten und die auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Das Land will demnach Materialien für die Impfung von 9,3 Millionen Erwachsenen im Land beschaffen – die Rede ist von jeweils 18,6 Millionen Spritzen und Kanülen zur Verabreichung des Impfstoffes, von je 3,72 Millionen Spritzen sowie Kanülen zum Verdünnen, 1500 Kanülenabwurfbehältnissen, 74 400 Tupferrollen und 148 800 Stück Hautdesinfektionsmittel. Dafür seien rund zehn Millionen Euro anzusetzen – plus Logistikkosten.

Das Land geht der Kabinettsvorlage zufolge davon aus, dass ein Corona-Impfstoff noch dieses Jahr verabreicht werden kann. «Die ersten zu erwartenden Impfstoffe werden für Erwachsene voraussichtlich im 4. Quartal 2020 zugelassen und stehen voraussichtlich im 4. Quartal 2020 zur Verfügung», heißt es darin.

In der Landeshauptstadt Stuttgart treten am Mittwoch strenge Regeln in Kraft. So wird etwa in der Innenstadt das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verpflichtend. Der Konsum von Alkohol wird eingeschränkt. Bei privaten Feiern sind demnächst nur noch zehn Teilnehmer erlaubt. Zudem mobilisiert die Stadt zur Verfolgung von Kontaktpersonen im Zuge der Corona-Pandemie die ganze Stadtverwaltung und erbittet die Hilfe der Bundeswehr.

Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) ordnete angesichts der Entwicklung im Ballungsraum Stuttgart eine Maskenpflicht im Landtag ab 14. Oktober an. Die gilt für alle Gebäude und Räumlichkeiten des Landtags – auch für den Plenarsaal, die Sitzungssäle und die Besprechungsräume sowie alle Verkehrsflächen und Aufzugsanlagen. Die Abgeordneten dürfen die Maske aber in Sitzungssälen und im Plenarsaal am Platz ablegen, sofern der Mindestabstand eingehalten wird. Verstöße können mit einem Zwangsgeld geahndet werden – mindestens 250 Euro für Abgeordnete und mindestens 150 Euro für Mitarbeiter und Besucher. Bislang herrscht im Landtag nur ein Maskengebot.

Neben Stuttgart ist der Kreis Esslingen der «Hotspot» im Land. Dort lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Sonntag bei 74,4. Die Zahl der nachgewiesenen Coronavirus-Infektionen im ganzen Land stieg am Sonntag im Vergleich zum Vortag um 477 auf 54 330 Fälle. Die Zahl der Toten im Zusammenhang mit dem Virus liegt unverändert bei 1901.

Derweil kritisieren Tourismusminister Guido Wolf (CDU) und die FDP im Landtag das Beherbergungsverbot, das seit längerem für Besucher aus Stadt- oder Landkreisen mit erhöhtem Infektionsgeschehen für Hotels, Herbergen, Campingplätze und andere ähnliche Einrichtungen gilt. Das mache immer weniger Sinn und sei für Hoteliers wie für Reisende eine unverhältnismäßige Belastung, sagte Wolf am Montag der dpa. Die Intensität von Ansteckungen in Beherbergungsbetrieben sei äußerst gering. Außerdem müsse es für Geschäftsleute oder Arbeiter möglich bleiben, eine Unterkunft im Land zu finden.

Maßgeblich für das Beherbergungsverbot ist, ob die Zahl der Neuinfektionen im Heimatkreis der Betroffenen in den vergangenen sieben Tagen vor der Anreise pro 100 000 Einwohner über 50 lag. «Pauschale Beherbergungsverbote für innerdeutsche Reisende sind reiner Aktionismus und helfen nicht bei der Eindämmung der Pandemie», betonte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. «Sie gefährden im Gegenteil die Akzeptanz von tatsächlich erforderlichen Maßnahmen.» Die Beherbergungsverbote müssten unverzüglich aufgehoben werden.

Trotz der sich zuspitzenden Pandemie sieht Tourismusminister Wolf auch keinen Grund für einen Verzicht auf Reisen durchs Land in den Herbstferien. «Urlaub in Baden-Württemberg war nach allem, was wir bisher wissen, gerade kein Infektionstreiber», sagte er. «Deswegen wehre ich mich gegen die Aussage, in Baden-Württemberg solle im Herbst kein Urlaub verbracht werden.» Die Betriebe gingen sehr verantwortungsvoll mit der Situation um. «Gegen einen Urlaub in Baden-Württemberg unter Wahrung der Abstands- und Hygieneregeln ist aus meiner Sicht nichts einzuwenden.» Zuvor hatte unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den Bürgern nahegelegt, im Herbst dieses Jahr nicht wegzufahren.

 

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